SWR2 Wort zum Tag

SWR2 Wort zum Tag

Gerade noch haben wir saftige Beeren vom Erdbeerfeld geerntet, jetzt locken in den Gärten leuchtendrote Johannisbeeren und Kirschen. Die Kinder sitzen auf den Bäumen und spucken die Kerne hinunter.
In diesen Sommertagen bin ich jeden Tag neu dankbar für den Reichtum der Natur um mich herum. Dass unbebaute Flächen, Streuobstwiesen und frische Luft ein schützenswertes Gut sind, legt sich da ganz von selbst nah.
Allerdings: Naturschutz ist nicht nur eine Frage von romantischer Landlust, sondern auch eine ganz nüchterne ökonomische Frage – das ist mir vor kurzem wieder ganz deutlich geworden, als ich eine interessante Berechnung gelesen habe: Wissenschaftler haben versucht zu errechnen, was ein intaktes Ökosystem an wirtschaftlichem Nutzen erbringt. Wildbienen zum Beispiel, so haben sie herausgefunden, erwirtschaften durch ihre Bestäubungsleistung jährlich 135 Milliarden Euro. Wird ihr natürlicher Lebensraum weiter eingeengt oder gar zerstört, fällt diese Wirtschafsleistung natürlich weg. Und auch in anderen Bereichen, zum Beispiel beim Klima, hat unser Umgang mit der Natur ja längst deutlich messbare ökonomische Konsequenzen.
Ökonomie und Ökologie – diese Bereiche zusammen zu denken, ist kein neuer Ansatz. Schon in der Bibel legt sich die Verbindung nahe. Das griechische Wort oikos, Haus, von dem beide Begriffe abgeleitet sind, spielt im Neuen Testament eine zentrale Rolle. „Dient einander als gute Haushalter der vielfältigen Gnade Gottes“(1.Petrus 4,10), schreibt der Verfasser des 1. Petrusbriefs. Haushalter, wörtlich: „Ökonomen“ sollen wir sein, die das, was uns anvertraut ist, gut und durchaus auch gewinnbringend verwalten – allerdings: nachhaltig gewinnbringend, was nicht unbedingt dasselbe ist wie kurzfristig lukrativ. Dieser Auftrag gilt, so verstehe ich es, für die persönlichen Talente, für den eigenen Besitz, aber eben auch für die ganze Natur.
Eine gute „Haus-Wirtschaft“ hält also über den eigenen Vorgarten hinaus das ganze Welt-Haus im Blick, nämlich die – wieder ein biblischer Öko-Begriff – die ganze bewohnte Welt, die Ökumene. Die Folgen des Klimawandels in Bangladesch sind dann in gleicher Weise wichtig wie der Lebensraum der Wildbienen vor meiner Haustür. Deshalb bin ich froh, wenn jemand in unserem Dorf wieder ein altes Haus im Dorfkern saniert, statt eine Streuobstwiese zu bebauen. Weil das langfristig vielleicht nicht nur ökologisch, sondern auch ökonomisch sinnvoll ist.
Dass es außerdem abseits von allem ökonomischen Kalkül einfach herrlich ist, im Kirschbaum zu sitzen, Kirschen zu essen und sich den Sommerwind um die Nase wehen zu lassen – das kann man nur selbst erleben…

https://www.kirche-im-swr.de/?m=20075
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