SWR2 Wort zum Tag

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Unbequeme Wahrheiten offen auszusprechen, kann lebensgefährlich sein – besonders, wenn sie weltliche oder religiöse Machthaber betreffen. Das gilt auch heute noch in vielen Ländern der Erde. Bei uns Gott sei Dank nicht mehr.
Dass das so ist, hat auch mit Menschen wie Jan Hus zu tun, dessen 600. Todestag heute ist. Am 6. Juli 1415 wurde er in Konstanz verbrannt. Das Konstanzer Konzil hatte den Tod des Prager Theologen beschlossen. Dabei hatte der Kaiser selbst ihm freies Geleit zugesichert – zum Konzil und auch wieder zurück. Aber das zählte nicht mehr. Hus‘ Gedanken schienen den kirchlichen und weltlichen Machthabern zu gefährlich.
In seiner Schrift „Von der Kirche“ hatte er 1413 das prunkvolle Auftreten, die Habgier und Ehrsucht der Kardinäle und Päpste – es amtierten damals gleich drei zur selben Zeit – scharf verurteilt. Und noch mehr: Er hatte beschrieben, dass alle Christen nicht nur das Recht, sondern auch die Pflicht hätten, sich gegen solchen Amtsmissbrauch zu wehren.

„Die Gehorsamkeit“, so schreibt Hus, „ist der Willensakt einer vernünftigen Kreatur, wodurch sie sich freiwillig und nach eigenem Urteile ihrem Vorgesetzten unterwirft. Darum hat jeder Untergebene den Befehl seines Vorgesetzten zu prüfen, ob solcher erlaubt und ehrbar sei; […] wenn das Gegenteil stattfindet, dann darf er nicht Folge leisten, sondern muss mutig sich entgegensetzen, um nicht durch Unterwerfung sich des gleichen Verbrechens schuldig zu machen.“

Gedanken, für die die Kirche und die Gesellschaft seiner Zeit noch nicht reif waren. Hus bezahlte dafür mit dem Leben. Aber er war sich sicher: „Die Wahrheit stirbt nicht in den Flammen.“
Sicher, über vieles andere, was Hus gesagt und geschrieben hat, kann man heute streiten, über manches ist die Zeit hinweg gegangen. Und es war noch ein weiter Weg bis zur modernen freiheitlichen Gesellschaft: Es brauchte die Reformatoren – sie haben erkannt, dass der Glaube eine unverfügbare Angelegenheit ist, der nie mit Gewalt, sondern nur mit dem Wort gedient ist. Es brauchte die Aufklärung, die Mut machte, sich des eigenen Verstandes zu bedienen – auch gegen die Kirche.
Trotzdem: Der Mut von Jan Hus, Missstände zu kritisieren, seine Mahnung, die Befehle zu prüfen, bevor man ihnen gehorcht – davor habe ich großen Respekt. Das finde ich auch für unsere Zeit vorbildlich. Deshalb möchte ich heute an Jan Hus erinnern – und mit ihm an die vielen Menschen, die auch heute noch sterben müssen, weil sie es wagen, den Mund aufzumachen.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=20073
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