Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

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„Ich ziehe zum letzten Mal um.“ Mit diesen Worten beginnt eine Todesanzeige. Die Verstorbene vergleicht in dem Text ihr Leben mit einem Mietvertrag. Mit ihrer Geburt habe sie den Vertrag unterschrieben, und mit ihrem Tod sei er nun abgelaufen. Ein letztes Mal müsse sie jetzt umziehen. Sie lädt Angehörige und Freunde ein, an diesem Umzug teilzunehmen, warnt aber davor, zu viel mitzunehmen. Denn in der neuen, letzten Wohnung sei kein Platz für Überflüssiges.

Das Leben als Mietvertrag. Ich halte dieses Bild für sehr treffend. Wer zur Miete wohnt, kann im Rahmen des Vertrages alles nach seinem Belieben nutzen. Gleichzeitig ist ihm bewusst: Die Wohnung gehört ihm nicht. Er kann sie nicht beliebig umbauen, er darf sie  nicht verkommen lassen und muss sie auch irgendwann verlassen. Aber er kann sich darin wohlfühlen und sie nach seinen Vorstellungen einrichten.

In einem Kirchenlied heißt es, „wir sind nur Gast auf Erden“. Aber die Rolle des Mieters finde ich treffender: Der Gast bleibt immer fremd, ist immer auf dem Sprung, ist eben nur Gast. Als Mieter habe ich Rechte und ist mir die Sache zumindest auf begrenzte Dauer anvertraut.

So empfand die Verstorbene die Welt als ihre gute Wohnung, in der sie zur Miete wohnte. Sorgsamer Umgang eingeschlossen. Dass sie das alles so positiv sehen konnte, hatte natürlich mit dem Vermieter zu tun. Der Partner bei dem Mietvertrag war für sie Gott. Er hatte die Welt als Wohnung gut hergerichtet und ihr anvertraut. Dass der Mietvertrag einmal enden würde, war klar. Es war eben Miete, nicht Eigentum. Mit einem letzten Umzug musste sie rechnen.

Aber auch dieser letzte Umzug schreckte sie offenbar nicht. Denn wieder war ja Gott, mit dem sie so gute Erfahrungen gemacht hatte, der Wohnungsgeber. Es konnte nur besser werden.

Deshalb hatte die ganze Todesanzeige einen verblüffend leichten Ton. Nicht Abschiedsschmerz war der Grundton, sondern der Umzug mit geringem Gepäck prägte das Bild. Mit Gott als Vermieter fiel der Verstorbenen der Umzug leicht.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=20062
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