Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

Heilige erkennt man oft an den Gegenständen, die sie bei sich haben. Petrus mit den Himmelsschlüsseln, Paulus mit dem Schwert, Jakobus mit der Pilgermuschel sind bekannte Beispiele. Manchmal sind es auch Marterwerkzeuge: Sebastian wird mit Pfeilen dargestellt, Laurentius trägt den Rost, auf dem er verbrannt wurde. Immer handelt es sich um bedeutsame Symbole, die für das Leben oder Leiden der Heiligen stehen.

Manche Heilige fallen allerdings aus dem Rahmen. Über meinem Schreibtisch hängt das Bild des Heiligen Prokulus, ein eher unbekannter italienischer Heiliger aus dem 4. Jahrhundert. Und dieser Heilige schleppt nicht irgend einen Erkennungsgegenstand mit sich, im Gegenteil: Er sitzt auf einer Schaukel. Seine Haare wehen im Wind, er strahlt Zufriedenheit aus und gibt ganz das Bild eines entspannten Heiligen. Das mag auch daran liegen, dass er kein Märtyrer ist, er starb als Bischof von Verona eines natürlichen Todes. Aber überhaupt macht er den Eindruck eines glücklichen Menschen. „Tiefenentspannt“ würden wir ihn heute nennen.

Mir ist Prokulus auf der Schaukel ans Herz gewachsen, weil er so einen herrlichen Kontrast zur Betriebsamkeit und selbstquälerischen Hetze darstellt, der wir nicht immer entkommen. Zweckfrei, aber keineswegs sinnlos sitzt er auf der Schaukel. Er lässt es sich – wenigstens für den Moment – gut gehen. Und ist trotzdem ein Heiliger, ein Mensch in einer besonderen Beziehung zu Gott.

Wir wissen nicht viel von Prokulus von Verona, diesem entspannten Heiligen. Und zugleich ist wichtig, dass es solche Menschen in den Heiligenkalender geschafft haben. Sicher wurde er nicht wegen seiner Schaukelei heilig gesprochen. Aber immerhin mitsamt seiner Schaukel. Heiligkeit ist offenbar nicht gleichbedeutend mit ständigem Eifer und nimmermüder Anstrengung. Auch entspannt können wir Gott nahe sein, wie Prokulus auf der Schaukel. Das ist eine gute Botschaft für die Urlaubszeit.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=20061
weiterlesen...