Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

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„Wer nachtragend ist, hat viel zu schleppen“, heißt es. Und es stimmt:
Solange ich jemandem etwas nachtrage, trage ich auch daran.
Und: Solange ich jemandem etwas nachtrage, gehe ich nicht meinen eigenen Weg. Ich trage der Person ja meinen Groll hinterher, und das führt mich zwangsläufig auf ihren Weg. 
Und meine Erfahrung ist: wenn ich viel über meinen Groll nachdenke und ihn bei anderen ausschütte, dann wird es auch nicht besser. Im Gegenteil: ich kreise nur noch mehr um mich und meinen Ärger. Und er setzt sich fest.
Das Leben ist ja voller Kränkungen.
Da wartet man auf den Anruf zum Geburtstag – aber kaum einer denkt daran. Und das, wo man selbst niemals einen Geburtstag vergessen würde.
-Da hat man jemanden zur Hochzeit eingeladen, aber der Person fällt im Traum nicht ein, einen zurück einzuladen.
-Da ist man hilfsbereit bis zum Umfallen, aber wehe, man braucht selber mal was. Und ausgerechnet die Person, für die man besonders viel getan hat - die rührt keinen Finger!
Und man ärgert sich schwarz. Und das fühlt sich nicht gut an.
Aber wie wird man wieder frei? Frei von diesen miesen Gefühlen?
Aus der neueren Mystik habe ich gelernt: man solle sich ein Mantra suchen. Das kann ein Satz sein, oder ein Wort – etwas, das einen in der Tiefe anspricht. Zum Beispiel: „Jesus Christus, erbarme dich meiner.“ Oder einfach nur „Liebe“. Oder „Frieden.“
Jedenfalls, wenn man das richtige Mantra für sich gefunden hat, soll man es - wann immer es geht - im Geiste vor sich hinsagen. Wieder und wieder. Beim Autofahren, bei der Hausarbeit. Oder in der Warteschlange…
Und schon nach kurzer Zeit spürt man eine Wirkung: Die Gedanken hören auf zu kreisen. Und dann kann man - im nächsten Schritt - die miesen Gefühle einfach an das Mantra dranhängen. Also zum Beispiel: „Jesus Christus, erbarme dich meiner - und meiner Enttäuschung.“ Oder „Liebe und Frieden - auch meinem Ärger.“ Und das immer wieder wiederholen.
So gebe ich ganz allmählich meine miesen Gefühle auf. Und mein Geist wird wieder frei.
Und wenn das geschieht, dann habe ich übrigens - so ganz nebenbei - auch vergeben. Und wissen Sie, was erstaunlich ist? So wird Vergebung plötzlich zu einem Geschenk an mich selbst.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=20042
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