Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

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„Kontrolliertes Nichtstun“. Der Begriff ist mir hängengeblieben. Eine Weingutsbesitzerin hat ihn letzte Woche gebraucht, bei einer Weinprobe im Rheingau, bei der ich dabei war. Es gab leckeren Riesling und Spundekäs und eben auch ein paar spannende Erklärungen zum Thema Wein. Zum Beispiel zum „kontrollierten Nichtstun“. Das ist nötig, hat uns die Winzerin erzählt, damit der Wein in Ruhe reifen und gären kann. Klar, man muss ihn, wenn er dann in Fässern abgefüllt ist, ab und zu kontrollieren. Aber man muss ihn eben auch in Ruhe lassen. Darf nicht ungeduldig werden. Man muss wissen, wann das eigene Tun gefragt ist – und wann Nichtstun nötig ist. 

„Kontrolliertes Nichtstun“. Mich hat das auch eine Stelle aus der Bibel erinnert, um die es gerade vor kurzem sonntags im Gottesdienst ging. Da erzählt Jesus ein Gleichnis, in dem es auch um die Natur geht. „Mit dem Reich Gottes“, sagt er, „ist es so, wie wenn ein Mann Samen auf seinen Acker sät; dann schläft er und steht wieder auf, es wird Nacht und wieder Tag, der Samen keimt und wächst und der Mensch weiß nicht, wie.“ Also auch hier in der Bibel: ziemlich viel Nichtstun, während die Natur vor sich hin reift. „Die Erde“, so sagt Jesus dann weiter, „bringt von selbst ihre Frucht.“ Von selbst, ohne, dass der Mensch viel dazu beitragen muss. 

Bei Jesus ist die Geschichte vom Ackermann ein Gleichnis, und auch ich muss gleich Verbindungen ziehen zu dem, wie ich so lebe und arbeite. „Kontrolliertes Nichtstun“, das fällt mir meistens ziemlich schwer, wie wahrscheinlich vielen Leuten. Wir denken ja oft, wir müssten alles selbst tun, alles selbst vorantreiben, und unter Kontrolle haben wir die Dinge nur, wenn wir ständig aktiv sind. Aber der Acker und der Wein, die sagen mir: Das stimmt ja gar nicht. Entspann dich. Es hängt längst nicht alles nur von dir ab. Es kommt auch auf anderes an, auf die Natur und den Himmel, auf andere Menschen und auch auf Gott. All denen darfst du auch noch etwas überlassen. 

„Kontrolliertes Nichtstun“: Wenn man das schafft, wenn man geduldig wartet: Dann, so hab ich bei der Weinprobe gelernt, entsteht ein besonders guter Wein.

 

https://www.kirche-im-swr.de/?m=20023
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