SWR4 Abendgedanken

SWR4 Abendgedanken

Wenn das Schuljahr zu Ende geht, ziehe ich mit meinen Schülern Bilanz. Ich frage sie: Was war für Euch im Reli-Unterricht wichtig? Und wie ein roter Faden zieht sich in ihren Antworten seit Jahren ein Thema durch, das ich so nicht erwartet hätte: Meister Eckhart und seine Theologie. In der katholischen Kirche erinnert man  heute an diesen Theologen aus dem 12 Jahrhundert.

Dass dieser Mann die Schüler faszinieren kann, finde ich schon ein Phänomen. Denn die Texte, die sie von ihm lesen müssen, sind nicht gerade einfach, sondern harte philosophische Kost. Abstrakt, verwirrend und auch widersprüchlich. Und trotzdem erinnern sich die Schüler gern an die Bilder, die er gebraucht:

Zum einen das Bild, bei dem er Gott mit einer Quelle vergleicht, die nie versiegt und sich immer weiter verströmt. Wie ein Brunnen, bei dem das Wasser von einer Schale in die nächste läuft. Immer in Bewegung, immer anders und es hört nie auf. Die Vorstellung, dass Gottes Güte im wahrsten Sinn des Worts im Überfluss da ist, vermittelt den Schülern Geborgenheit. Das kann ich verstehen. Denn es bedeutet ja, dass ich immer mehr als genug von Gottes Liebe und Barmherzigkeit abbekomme.

Das andere Bild, das die Schüler immer wieder beschreiben, ist Eckharts Bild vom „Seelenfünklein“. Eckhart geht davon aus, dass Gott wie ein Feuer ist, hell und wärmend. Und dieses Feuer versprüht seine Funken in die Seele jedes Menschen. Der Funke ist ja Teil des Feuers. Wenn in jedem Menschen so ein Gottesfunke ist, dann erhebt das den Menschen zu etwas Göttlichem. Und das tut meinen Schülern und mir gut, weil es uns groß sein lässt. Diese Größe vermittelt ein gesundes Selbstbewusstsein. Ich fühle mich als etwas Besonderes und bin gleichzeitig davor geschützt, mich über andere zu stellen. Die Größe kommt ja nicht von mir, sondern von dem Gottesfunken in mir. Im Gegenteil, wenn ich mir vorstelle, dass ja zum Beispiel auch die Frau, die mir gegenüber im Bus sitzt, einen göttlichen Funken in sich trägt, dann muss ich mit ihr anders umgehen. Menschlicher eben. Und der Witz ist: eben deshalb, weil ich etwas Göttliches in ihr sehe.

Quelle und Feuer, beides sind Bilder, die lebendig und aufbauend wirken. Und beide sagen mir etwas, was mir als Mensch gut tut und mich groß macht. Und das gebe ich jetzt Ihnen, liebe Zuhörer, weiter: Gott wird nie aufhören, seine Liebe an Sie zu verschenken. Und: Sie haben schon immer einen Teil Gottes in sich. Hell und warm. Wie alle anderen Menschen auch.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=20019
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