SWR4 Abendgedanken

SWR4 Abendgedanken

Ich bin ein Rom-Fan. Wenn ich in Rom bin, blühe ich auf: Bauten wie der Petersdom, das Pantheon und das Kolosseum, Pinien und Zitronenbäume in der Sonne, das Essen und alles, was ich sonst noch so von der italienischen Lebensart mitbekomme. Das hat mich so sehr zum Rom-Fan gemacht, dass es mich regelmäßig dorthin treibt und es mir jedes Mal schwer fällt, wenn ich wieder heimreisen muss. Es gibt dort so viel zu sehen und zu erleben, dass ich gar nie alles schaffe.

 

Anstatt dass ich voller Glück und zufrieden zurückfahre, bin ich dann immer auch ein bisschen traurig. Vielleicht, weil mir in diesen glücklichen Momenten bewusst wird, dass das Leben endlich ist. Gut, alle Menschen müssen sterben. Da gibt es keine Ausnahmen. Aber das tröstet mich nicht. Was mich tröstet, ist ein Text von Werner Bergengrün, der auf den Abschied von Rom gemünzt ist. Aber ich finde er passt auch dazu, dass die Reise des Lebens einmal enden wird. Bergengrün beschreibt, wie unausschöpflich die Stadt Rom ist; so unausschöpflich, dass man sie innerhalb einer Lebenszeit gar nicht erfassen kann und alles nur ein Anfang bleibt, was man bei einem Romaufenthalt erlebt. Es stimmt. Ich war schon so oft dort und habe längst noch nicht alles gesehen. Und im Leben ist‘s doch ähnlich: Keiner kann alles ausschöpfen, was an Erfahrungen bereit liegt. Egal, wie lange er lebt.

 

Wenn ich das bei meinen Romreisen überdenke, hat das aber auch etwas Reizvolles. Wenn diese Stadt unausschöpflich ist, kann ich nämlich dort immer noch etwas Neues finden, wenn ich wieder hinfahre. Dass ich gar nicht alles ausschöpfen kann, ist dann sogar faszinierend und anziehend.

 

Klar, es bleibt bedrückend, wenn ich daran denke, dass mein Leben einmal enden wird. Alles, was ich erlebe, ist endlich und bruchstückhaft. Aber auch hier kann es doch aufbauend wirken, wenn ich dieses Ende nicht als Grenze, sondern  als Öffnung oder Erweiterung auf etwas Größeres hin sehe, das ich niemals fassen kann. Als Horizonterweiterung eben. Und dafür will ich offen sein:

 

Jedes Erlebnis, jeder Urlaubstag, auch der schöne Moment im Alltag, sind eine Erweiterung der Seele. Momente, die meinen Horizont erweitern, die ich jeden Tag finden kann: in meiner Stadt, auf dem Weg zur Arbeit oder auf den Fluren der Schule, in der ich unterrichte und in den Menschen, denen ich heute begegnet bin. Und wenn ich abends heimkomme, weiß ich, meine Erlebnisse sind immer nur der Anfang von etwas Größerem.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=20017
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