Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

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Er gehört nicht zu meinen Lieblingsheiligen: Johannes der Täufer. Heute ist sein Gedenktag. Er lebte in der Wüste, ernährte sich von Heuschrecken und wildem Honig und war sicherlich ein großer Asket. Und da bin ich ganz ehrlich, das liegt mir nicht so. Und dann hat er auch noch ganz schön hart gepredigt, die Leute so richtig zusammen gestaucht. Und auch das liegt mir nicht so.  Er hat mehr Angst und Schrecken als Freude verbreitet. Er redete wie Jesus vom Kommen Gottes in der Welt, dabei formulierte er dies aber mehr als Droh- denn als Frohbotschaft: „Ihr Schlangenbrut….Glaubt nun ja nicht, nur weil ihr Abraham zum Vater habt, weil ihr zum auserwählten Volk gehört, kann euch nichts passieren. An euren Taten werdet ihr gemessen, nicht an eurer Volkszugehörigkeit oder Religion.“ Solche Sätze sind nicht unbedingt ein Grund zur Freude, damals nicht und heute auch nicht. Sagen sie doch: Wiegt euch nicht in Sicherheit nach dem Motto: Wir sind Christen, wir sind die Guten, uns kann nichts passieren. Nein, wenn der Tag des Gerichts kommt, werde ich nicht gefragt, welcher Religion hast du angehört, sondern was hast du getan und  was hast du unterlassen? Bei einigen seiner Zuhörer hat seine Drohbotschaft gezündet, sie fragen ganz verängstigt: „Was sollen wir tun?“ Und da wird der unbarmherzige Bußprediger Johannes auf einmal recht zahm. Keiner wird dazu verdonnert in Sack und Asche zu gehen, zu fasten oder sich zu geißeln. Sondern seine Anweisungen sind recht einfach und eigentlich auch erfüllbar. Den Zöllnern sagt er: Haut keinen übers Ohr, verlangt nicht mehr als festgesetzt ist. Den Soldaten sagt er: Misshandelt niemand, erpresst niemand, begnügt euch mit dem Sold. Und allen andern gibt er den Tipp: Teilt, sorgt für Gerechtigkeit, wer zuviel hat, soll dem abgeben, der nichts hat. Eigentlich eine ganz einfache Sache. Da  wird er mir doch ein bisschen sympathisch: Der Bußprediger Johannes der Täufer. Aber in die Wüste gehe ich deshalb trotzdem nicht und Heuschrecken kommen auch nicht auf meinen Speiseplan.

 

https://www.kirche-im-swr.de/?m=19997
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