SWR2 Wort zum Tag

SWR2 Wort zum Tag

Marc Chagall hat den zehn Geboten in den Fenstern der Stephanskirche in Mainz eine besondere Bedeutung gegeben. Wenn es draußen dunkel wird, und das abnehmende Tageslicht ihr besonderes Blau nicht mehr strahlen lässt, leuchten noch die beiden Gesetzestafeln, die zehn Gebote, im oberen rechten Fenster, dem Dreipass.
Die zehn Gebote sind aber nicht nur dort, sondern auch im Mittelfenster zu sehen, wo Mose sie in der rechten Hand hält und mit der linken Hand auf sie hinweist. Chagall hat Mose in das Himmelsblau eingetaucht, so als wollte er sagen: aus mir spricht Gott.
Die Geschichte der zehn Gebote findet sich im zweiten Buch Mose (20, 1-17). Dort wird erzählt, dass Gott sich auf dem Berg Sinai seinem Volk offenbart habe. Das Volk hatte mit seinem Gott gute Erfahrungen gemacht. Er hatte ihnen den Mut gegeben, sich aus der Gefangenschaft in Ägypten zu befreien. Der Gott Israels stand von nun an für Befreiung und Leben.
Ich bin der Herr, dein Gott, der dich … befreit hat.
In  diese Befreiungsgeschichte gehören die zehn Gebote. Es sind Weisungen wie z.B. nicht töten, nicht stehlen, nicht lügen, den Feiertag heiligen, die Ehe nicht brechen. Die Zehn Worte, wie sie jüdische Menschen nennen oder die Zehn Gebote, wie sie in der christlichen Tradition heißen, sind bis heute wichtig für das Leben miteinander. In diesen Weisungen für ein gelingendes Leben wird dem Menschen zugetraut, zu handeln und sein Handeln zu verantworten: Du wirst das tun. Du kannst das tun. Sieverweisen auf die Freiheit von Tun und Lassen.
Was bedeuten mir heute diese Weisungen für ein gelingendes Leben?
Für mich sind sie Grundregeln ethischen Verhaltens.
Jesus hat sie im Doppeltgebot der Liebe zusammengefasst: in der Liebe zu Gott und der Liebe zum Nächsten. Der jüdische Gelehrte Pinchas Lapide nennt sie sogar die zehn Freiheiten. Ich muss sie nicht als Begrenzungen meines Lebens, meiner Lebensmöglichkeiten verstehen, vielmehr sind es Regeln, auf denen sich der Friede für alle Menschen und die Freiheit für den einzelnen gründen.
In den Mainzer Fenstern von Marc Chagall erscheinen sie wie leuchtende Pfeiler im Himmelsblau, gleichsam als Wegmarken, ohne die es kein sinnvolles, verantwortliches Leben miteinander geben kann.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=19918
weiterlesen...