SWR3 Gedanken

SWR3 Gedanken

Frau M. ist sehr krank, sie lebt im Heim.
Hier ist sie gut aufgehoben und wird sehr freundlich versorgt.
Aber ihre Seele muss mit einem Trauma fertig werden.
Sie ist vor Jahren vergewaltigt worden.
Das ist zwar einige Jahre her, aber es beherrscht sie bis heute.
Sie ist nicht sympathisch. Vielleicht war sie es nie.
Sie hat eine kratzende Stimme
mit der sie einem immer irgendwie zu nah kommt.
Was sie erlebt hat, lässt sie nicht loses ist, als wäre ihr alles genau gestern passiert.
Sie erzählt davon, sie brüllt und tobt: „Der hat mich beschmutzt“
Sie will kämpfen. Sie will vor Gericht. Seit Jahren erlebe ich das.
Und ahne, dass sie niemals die Gerechtigkeit bekommen wird,
die ihr so wichtig wäre. Sie ist krank und alt und wird bald sterben.
Bei alldem ist sie auf eine Weise fromm, die mich immer wieder rührt.
Wenn sie mir wieder ihr Herz ausgeschüttet hat, dann greift sie nach
meiner Hand und sagt:
„Wie gut, dass ich weiß, dass der Herr Jesus Christus mich liebt!
Gell, unser Herr liebt mich? Er liebt uns alle, das fühl ich in meinem Herzen
und das ist mein ganzer Trost.“
Sagt sie und erinnert mich an einen Psalm, in dem es heißt:
Wenn aber jene schreien, die ihn suchen, wird es der Herr hören
Er wird sie aus der Angst reißen
Nah ist den zerbrochenen Herzen, Gott,
und er wird sie umarmen in ihrer Angst.

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