SWR2 Wort zum Tag

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In einer Zeit, in der Kochshows im Fernsehen Konjunktur haben, wird es wieder nachvollziehbar, dass die Menschen zur Zeit Jesu sich das Paradies ganz selbstverständlich als Festessen vorgestellt haben. Der Gault-Millau, ein Feinschmeckerführer, hat in seiner Geschichte noch nie die Höchstpunktzahl 20 vergeben. Das himmlische Paradies wäre also ein Festessen mit mindestens 20 Punkten, perfekt zubereitete Speisen und außerirdische Geschmackserlebnisse. Wobei die Sitzordnung bei diesem Festessen völlig offen ist. Gleiches gilt für die Gästeliste. Eines dürfte jedoch klar sein: Es wird eine ziemlich merkwürdige Truppe sein, die sich um die himmlische Tafel versammelt. Jedenfalls wenn man den Bildern glauben darf, mit denen Jesus von diesem Gastmahl erzählt. Der Gastgeber scheint eine ziemlich schräge Type zu sein, denn er mutet denen, die sich einladen lassen, eine Menge zu. Er wirbelt sie durcheinander, die menschlichen Erwartungen und gesellschaftlichen Konventionen und religiösen Vorbehalte. Neben wem ich sitzen werde, wenn ich zusage, das weiß ich nicht. Wenn wir beim Abendmahl in unserer Kirchengemeinde um den Altar stehen und uns Brot und Wein reichen, dann vermittelt sich mir zumindest eine Ahnung davon, wie unterschiedlich die Gästeschar sein könnte. Hier auf Erden mag ich nicht jeden. Und nicht jeder mag mich. Glücklicherweise kommt es darauf aber nicht an. Nicht ich lade ein, sondern Gott. Das gilt fürs Paradies und auch für unser Abendmahl in der Kirche. Jeder ist eingeladen.
Ich vermute einmal, die himmlische Tischgesellschaft ist mindestens so schräg wie der Gastgeber. Ich ahne, es wird deshalb auch interessant werden, langweilig auf keinen Fall. Und ich wünsche mir, dass ich mit Leib und Seele, Kopf und Herz, Haut und Haar dabei sein darf.
Wenn die Tischgesellschaft so ist, wie Jesus erzählt, dann passe ich mit meinen Ecken und Kanten vielleicht ganz gut ins Paradies. Zumal ich gerne richtig gut esse und daher sehr gespannt bin, wie ein Essen schmeckt, das selbst die Vorstellungen des Gault Millau sprengt.
Ich stelle mir vor: Der Gastgeber wartet, die Türen sind weit geöffnet. Es gibt etwas zu feiern. Das Leben. Den Himmel. Wie auch immer die Tischdekoration aussehen mag: Wir sind alle eingeladen. Zuletzt wird gefeiert. Und darauf kommt es an.

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