Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

in der katholischen Kirche

Die katholische Kirche in Deutschland ändert ihr Arbeitsrecht. Wer als Mitarbeiterin oder Mitarbeiter nicht so lebt, wie es die kirchliche Lehre will, muss nicht mehr mit einer Kündigung rechnen. Das ist eine gute Nachricht, und nicht nur für die Menschen, die davon betroffenen sind. Die deutschen Bischöfe eröffnen Menschen einen Weg, die ein zweites Mal geheiratet haben und die eine gleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaft eingegangen sind.

Wenn man des Presseberichten Anfang Mai Glauben schenken will, dann war dieser Schritt längst überfällig. Unisono wurde der Plan der katholischen Kirche in Deutschland begrüßt. Die Kirche sei endlich in der gesellschaftlichen Realität angekommen. Auch sei dies ein Schritt hin zu mehr Ehrlichkeit im Umgang mit den eigenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.

Für mich ist ein anderes Argument entscheidend. Wie hätte sich Jesus verhalten? Wie ist Jesus vor 2000 Jahren auf Zeitgenossen zugegangen, die nicht so lebten, wie die Gesellschaft und die religiöse Obrigkeit das von ihnen verlangten? Ein Blick in die Bibel macht schnell klar: Jesus hatte kaum Umgang mit Menschen, die erfolgreich waren, bei denen alles in Ordnung war, denen das Leben mit leichter Hand gelingen will.

Jesus teilte seinen Alltag mit Frauen, die sich prostituieren mussten. Der Ehebrecherin schenkte er sein Erbarmen und rettete sie vor dem sicheren Tod durch eine Steinigung. Neues Leben war so möglich. Kranke heilte er auf offener Straße, und das Leben als Ausgegrenzte vor den Toren der Stadt ging endlich zu Ende. Mit Frauen führte er Gespräche mitten in der Stadt, achtete sie als gleichberechtigte Menschen. Kinder, die damals nutzlos und einfach nur übrig waren, stellte er in die Mitte. So sollt ihr sein, wie die Kinder, sagt Jesus, ehrlich und echt. Wo immer Jesus auch auftrat, strahlt er Menschlichkeit und Barmherzigkeit aus.

Ich weiß nicht, ob Menschlichkeit und Barmherzigkeit das entscheidende Motiv für die deutschen Bischöfe war, auf Menschen in einer zweiten Ehe oder in einer Lebensgemeinschaft zuzugehen. Vorstellen kann ich mir das schon. In jedem Fall machen sie Ernst mit dem, was Christinnen und Christen seit 2000 Jahren auf ihre Fahnen geschrieben haben: Wir verkünden die Menschenfreundlichkeit unseres Gottes, die wir in Jesus, in seinem Leben, in seinem Tod und in seiner Auferstehung in ganz besonderer Weise erfahren haben.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=19841
weiterlesen...