SWR4 Abendgedanken

SWR4 Abendgedanken

„Auf dass wir klug werden“ – unter diesem Motto beginnt in diesen Stunden der Evangelische Kirchentag in Stuttgart. Über 100.000 Teilnehmer werden erwartet, um über ihren Glauben nachzudenken, um über ihre Rolle als Christen in der Gesellschaft zu diskutieren und um miteinander zu feiern. Aber auch das ist in diesen Tagen wichtig: Es gibt viele Krisen in der Welt. Da sind die Flüchtlinge und ihre Schicksale. Der Dialog zwischen den Religionen - diese Themen lassen ahnen: Schon lange nicht mehr waren religiöse Fragen von so großer politischer Brisanz wie heute. 

Auch wenn es kein ökumenischer Kirchentag ist, sind Gläubige anderer Kirchen zu diesem Christentreffen eingeladen – das ist gute Tradition. So findet morgen - am katholischen Fronleichnamstag – ein ökumenischer Gottesdienst statt. 

„Auf dass wir klug werden“ – dieses Motto steht im Psalm 90 im Alten Testament (90,12), in der Übersetzung von Martin Luther. Es bezieht sich auf einen Satz davor: „Lehre uns bedenken, dass wir sterben müssen“ - heißt es da. Wir sollen einsehen, wir sollen  uns daran erinnern, dass alles endlich und vergänglich ist. Dass der Tod das unwiderruflich bittere Ende ist. Angesichts dieser Einsicht sollen wir „klug werden“. - Wie kann ich das verstehen? 

Christen glauben, dass jenseits des Todes nur noch Gott das Sagen hat. Dass nicht der Tod das letzte Wort hat, sondern das Leben. Das Leben in einer unvorstellbaren, herrlichen Gemeinschaft mit Gott.

„Klug werden“ könnte daher bedeuten: dass ich mich in dieser Hoffnung bemühe, verantwortlich zu leben – für die Zeit, die mir geschenkt ist: Dass ich in meinem Umfeld für ein menschliches Klima sorge. Dass ich im konkreten Alltag auf die Möglichkeiten achte, wo ich Gutes tun kann. Und das nicht ängstlich und dem Schicksal verfallen, sondern mit Vertrauen und mit einer gesunden Portion Gelassenheit. 

Wenn ich als katholischer Christ ein Wort zum Evangelischen Kirchentag sage – dann hat „klug werden“ für mich auch mit Ökumene zu tun, mit dem Bemühen der Kirchen um mehr Einheit. Gemeinsam „klug werden: Dass unsere Kirchen nicht mehr so viel Energie verschwenden, um ihre Unterschiede zu rechtfertigen. Sondern dass sie im Geiste Jesu gemeinsam alle heilsamen und heilenden Kräfte mobilisieren, die es gibt – für die, die weltweit Solidarität so dringend brauchen: Kinder und Frauen, Alte und Kranke, Arme und Menschen auf der Flucht.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=19838
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