SWR2 Wort zum Tag

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„Fürchtet euch nicht“, sagen die Engel in der Bibel immer wieder. Aber die haben gut reden. „Kaum kommen wir auf diese Welt, da fangen wir (Menschen) auch schon an, stückchenweise abzubröckeln“, meinte der französische Schriftsteller Gustave Flaubert.  Den meisten Menschen wird das im Laufe ihres Lebens einmal schlagartig unangenehm klar. Erinnern Sie sich noch, wann Ihnen zum ersten Mal im Leben klar wurde: dass auch Sie sterblich sind? Sie persönlich, nicht die anderen?
Ich erinnere mich: als ich zwölf Jahren alt war, starb eine Klassenkameradin an Leukämie. Das kleine Mädchen war immer blasser geworden, immer schwächer. Dann blieb ihr Platz leer. An einem schwülen Sommertag ging die Klasse zur Beerdigung, Die Mutter des Kindes, ganz in schwarz, stand am Rande des Grabes und weinte hemmungslos. So etwas hatte ich mit meinen 12 Jahren noch nie gesehen. Und da kam mir der Gedanke: die Klassenkameradin, die ist tot. Aber ich, ich lebe. Ich lebe noch. Doch irgendwann auch nicht mehr. Aber wie kann ein Mensch aus diesem Leben einfach verschwinden? Wohin? Einfach weg?
Wie soll man das nennen, was einen quält, wenn man an die Menschen denkt, die man verloren hat? Eine Art Weckruf zur Sterblichkeit, ein Todeserwachen: die klare Erkenntnis: : dass man nur vorübergehend Gast auf dieser Erde ist. Dahinter aber steckt noch etwas Wilderes, zu tiefst Erschreckendes, was ich auch bei manchen Patienten in der Klinik erlebe: die  Angst, die Angst vor der grenzenlosen Leere, vor dem Ausgelöschtsein, auf das man sich zubewegt. Die Angst: Nie mehr fühlen, nie mehr schmecken, tasten, sehen, hören, nichts mehr zum Denken und zum Lieben haben. 
Das Problem ist so hart wie eine Stahlwand. Und doch gibt es  darin einen Spalt, durch den das Licht scheint. Für Christen ist das der Glaube an die Auferstehung. Wenn der wegfällt, dann bleibt nicht mehr viel übrig. Davon war Paulus überzeugt und predigte: «Ist aber Christus nicht auferweckt worden, dann ist unsere Verkündigung leer und euer Glaube sinnlos» (1. Kor. 15, 14). Auferstehung ist angesichts des Sterbenmüssens die Hoffnung schlechthin. Das absolute Gegengewicht gegen den Tod. Der Glaube an ein Leben nach dem Tod, (ein besseres), ein ganz anderes – vielleicht verlässt er uns genau in dem Moment, wo wir ihn am dringendsten brauchen. Aber dann hoffen und beten womöglich andere für uns: „Fürchte dich nicht, ich habe dich erlöst. Ich habe dich bei deinem Namen gerufen. Du bist mein.“

https://www.kirche-im-swr.de/?m=19831
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