SWR2 Wort zum Tag

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29AUG2007
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Reisen

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Eine junge Frau, die ich kenne, packt in diesen Tagen ihre Koffer. Sie reist ans andere Ende der Welt, ein Jahr lang wird sie unterwegs sein.
„Keiner hat mir das zugetraut“, erzählt sie. „Und über Jahre habe ich auf die anderen gehört. Bring erst einmal die Schule zu Ende, dann die Ausbildung, jetzt kannst du doch nicht fahren, du hast doch die gute Stelle, die schöne Wohnung...“ Inzwischen ist sie sogar verheiratet. Ihr Mann wird hier bleiben, wer weiß, ob er tatsächlich auf sie wartet. Ein ganzes Jahr lang... Trotzdem, sie wird gehen. „Wenn ich jetzt nicht gehe, dann gehe ich niemals. Und“ sie überlegt „ich werde nie wissen, wie es dort ist, werde nie wissen, wie es sich anfühlt, sich in einer fremden Umgebung ein Jahr lang zurechtzufinden.“ Sie schweigt wieder und zögert etwas, bevor sie ergänzt: „Ich glaube, ich werde nie wissen, wer ich wirklich bin. Deshalb: Ich werde fahren“.
Ganz schön mutig, denke ich. Sie gibt viel auf für ihren Traum. „Ich werde anders zurückkommen“, weiß sie. „Vielleicht werde ich manches verloren haben.“ Aber man kann sich auch verlieren, wenn man bleibt. Und ein Traum, den man nicht gelebt hat, der kann zu einem Alptraum werden, der das Leben verschattet.

Manchmal muss man alles aufgeben, was man hat, um sich selbst zu finden.

Diese junge Frau, sie spürt dem Geheimnis des Lebens nach, dass man etwas aufgeben muss, um neu beschenkt werden zu können. Das gelobte Land, für sie liegt es down under, in Australien. Für die Menschen, von denen die Bibel erzählt, hieß es Kanaan, das gelobte Land, wo Milch und Honig fließt. So paradiesisch war es dann nicht, als sie tatsächlich ankamen, so wenig, wie Australien das Paradies ist. Doch der Weg dahin lohnt 40 Jahre Wüste, Entbehrungen, Konflikte, Sehnsucht nach dem, was verloren war - den Fleischtöpfen Ägyptens, der Sicherheit einer festen Stelle, einer schönen Wohnung.
Ob sie wohl jemanden hat, der sie segnet, bevor sie nach Australien geht? frage ich mich.
Vielleicht mit dem Segen, den Abraham hörte, bevor er sich auf den Weg machte. Geh aus deinem Vaterland und von deiner Verwandtschaft in ein Land, das ich dir zeigen will. Und ich will dich segnen und du sollst ein Segen sein.
Wie viele Menschen machen sich wohl auf, in diesen Tagen, mutig, vielleicht auch etwas verzagt. Geht mit Gott, denke ich, in das Land, das Gott euch zeigen will. Und: seid gesegnet, damit ihr ein Segen sein könnt - für euch und für die Menschen, die Gott euch zur Seite stellt.
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