SWR4 Sonntagsgedanken

SWR4 Sonntagsgedanken

Beten kann jedes Kind. Sagt man. Beten ist einfach. Sollte man meinen. Und doch: Ich tue mir oft schwer mit dem Beten. Geht’s Ihnen auch so?
Manchmal habe ich einfach keine Zeit zum Beten. Es passt jetzt gerade nicht. Und manchmal bin ich viel zu beschäftigt. Da nimmt mich eine Frage oder ein Problem so gefangen, dass ich es glatt vergesse, dass ich auch beten könnte.
Ein andermal meine ich: Beten brauche ich nicht. Ich schaff das auch so ganz gut alleine – ohne zu beten. Und wenn ich dann mal beten will, dann passiert es, dass mir die Worte fehlen. Dann weiß ich gar nicht genau, wie ich beten soll.
Und dann wieder frage ich mich: Interessiert sich Gott überhaupt dafür? Für meine kleinen Probleme? Hat Gott nichts Besseres zu tun, als sich um meine Anliegen zu kümmern? Ob Beten überhaupt was bringt? Was bewegt? Was ändert?
Fragen über Fragen. Aber der Sonntag heute – dem hat man den Namen „Rogate“ gegeben. Und Rogate heißt „betet“. Diese Namen kommen von den Psalmen, von den Gebeten also, die an dem jeweiligen Sonntag in der Kirche gebetet werden.
Heute also „Rogate“, „betet“. Als wollte dieser Sonntag sagen: Deine Fragen sind gut und auch berechtigt. Aber: Tu es doch einfach mal: Bete. Und du wirst sehen, wie gut das tut.
So ähnlich hat das auch Jesus gesagt: „Bittet, so wird euch gegeben. Suchet, so werdet ihr finden, klopfet an, so wird euch aufgetan. Denn wer da bittet, der empfängt. Und wer da sucht, der findet. Und wer da anklopft, dem wird aufgetan.“
Wie einfach das klingt. Wie leicht. Aber wie ist das, wenn ich bitte und nichts bekomme? Wenn ich suche und nicht finde? Wenn ich anklopfe und die Tür bleibt zu? – Kennt das Jesus auch? Ich bete … und es passiert nichts. Zumindest nicht das, worum ich gebeten habe.
Klar, ich denke, wir wissen alle: Gott ist kein himmlischer Flaschengeist, der nur auf meine Anweisungen wartet, um sie dann schnellstmöglich auszuführen. Genauso wenig ist Gott eine Märchenfee, die mir meine Wünsche erfüllt. Gott lässt sich nicht vor den Karren meiner Anliegen spannen. Was wäre das auch für ein Gott?
Und doch lassen mich die unerhörten Gebete manchmal zweifeln: Bringt das mit dem Beten überhaupt etwas? Hört Gott, wenn ich rufe? Warum bekomme ich dann keine Antwort?
Auch Jesus hat solche Fragen gekannt. Auch er hat erlebt, dass Gott seine Gebete nicht erhört hat. Dass Gott nicht eingesprungen ist und geholfen hat. Aber – und das finde ich faszinierend – trotzdem hat er gebetet.
Für Jesus hat Beten zum Alltag gehört wie essen und trinken. So selbstverständlich und vertrauensvoll würde ich auch gerne beten können.

„Rogate“ – „Betet“ – daran lassen sich Christen heute erinnern. Jesus hat es vorgemacht, wie das gehen kann. Beten. Für ihn war das Beten eine gute Gewohnheit. Vielleicht ist das auch das Geheimnis seines Lebens, warum Jesus für so viele bis heute ein Vorbild ist und man sich an ihn erinnert.
Das Gebet hat Jesus geholfen, seine Sorgen abzugeben. Er konnte alles mit seinem Vater im Himmel bereden. Das hat ihn frei gemacht und hat ihm Lebensmut gegeben. Im Gespräch mit Gott konnte Jesus seine Gedanken sortieren. So hat er Kraft gewonnen und Klarheit gefunden für seinen Weg.
Im Gebet hat Jesus die Nähe zu Gott gespürt. Das hat ihm das Rückgrat gegeben, echt zu sein vor den Menschen und auch mal was Unbequemes zu tun und zu sagen.
Ich glaube, das regelmäßige Beten hat Jesus die Ausstrahlung gegeben, die er hatte. Und ich frage mich: Wie kann das Gebet für mich heute so eine gute und hilfreiche Gewohnheit werden, die mein Leben prägt?
Mir hilft da etwa, einen festen Ort zu haben zum Beten und auch eine feste Zeit. Dann eine Kerze anzuzünden, damit ich still werde und mich sammeln kann. Das holt mich raus aus dem, was ich gerade tue. Und ich kann wirklich da sein – vor Gott.
Aber es muss kein Gebetskämmerlein sein. Eine Bekannte hat mir erzählt, sie betet jeden Morgen, wenn sie mit dem Hund rausgeht. In dieser halbe Stunde legt sie Gott den Tag hin. Die Menschen. Die Situationen. „So gehe ich gut vorbereitet in den Tag“, sagt sie.
Mir helfen auch die Kirchenglocken. Bei uns im Dorf kann man sie noch hören. Die Glocken erinnern mich daran, einen Moment innezuhalten und ein kurzes Gebet zu sprechen. So ist Gott auf einmal da. Mittendrin im Alltag. Und dann geht es weiter.
Ein fester Ort. Eine feste Zeit. Beides hilft, das Beten zu einer guten Gewohnheit werden zu lassen. Ein Ruhepunkt im Alltag, der einen entlastet.
Sie könnten doch gleich damit anfangen mit dem Beten. Heute am Muttertag. Und Gott danken für Ihre Mutter, für das Leben, das sie Ihnen geschenkt hat und für all das Gute, was die Mutter getan hat.
Heute am Muttertag könnten Sie auch beten für die jungen Mütter um Kraft und Hilfe in den Fragen der richtigen Erziehung. Sie könnten beten für die Schwiegermütter um ein freundliches Verhältnis zu den Schwiegertöchtern und Schwiegersöhnen. Und Sie könnten beten für die Mütter in den Krisengebieten dieser Erde, dass sie nicht den Mut verlieren angesichts der Not und des Elends.
„Rogate“ – „Betet“ – Es gibt so viel, wofür wir beten können. Lassen wir uns nicht davon abhalten. So hat es auch Martin Luther gesehen: „Heute habe ich viel zu tun“, hat er gesagt, „also muss ich auch viel beten.“
Ich wünsche Ihnen einen schönen Sonntag!

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