SWR3 Gedanken

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Sie war meine Tante Ruth. Als ich klein war, fuhren wir regelmäßig zu ihr. Sie hatte eine unglaubliche Herzlichkeit, ein Schwimmbad und einen Cockerspaniel. Mindestens drei gute Gründe, warum ich an meiner Tante Ruth mit ganzem Herzen hing. Für mich war sie einer der wichtigsten Menschen meiner Kindheit.
Irgendwann wollte ich wissen, wie ich eigentlich mit meiner Tante Ruth verwandt bin. „Gar nicht“, war die lapidare Antwort. Tante Ruth war die beste Freundin meiner Mutter. In der Tat verstanden die beiden sich blind. Und ich genoss die unglaubliche Herzlichkeit, das Schwimmbad und den Cockerspaniel. Und fand es ziemlich unwichtig, ob sie nun eine echte Tante war oder nicht.
Im Gegenteil: Als ich in der Pubertät an Gott und der Welt und vor allen Dingen an meinen Eltern verzweifelte, fand ich bei Tante Ruth nach wie vor eine unglaubliche Herzlichkeit. Und ihr stets offenes Ohr und ihr aufrichtiges Interesse an mir waren irgendwann viel wichtiger als das Schwimmbad und der Cockerspaniel. Vor einigen Jahren ist sie gestorben. Aber sie ist und bleibt einer der wichtigsten Menschen meines Lebens. Ein Teil meiner Familie.
Heute ist der Internationale Tag der Familie. Viele Worte könnte ich machen über Vater, Mutter und zwei Kinder. Vielleicht auch noch über Großmütter und Cousins zweiten Grades. Über echte Verwandte eben. Aber ich möchte heute Worte machen über meine Tante Ruth. Und damit über all die Menschen, die zur Familie gehören, obwohl sie nicht blutsverwandt sind. Die zur Familie gehören, weil sie sozusagen „seelenverwandt“ sind.
„Ein Freund steht allezeit zu dir, auch in Notzeiten hilft er dir wie ein Bruder“, heißt es im biblischen Buch der Sprüche. In diesem Sinne danke ich heute Gott einmal für die Menschen, die zu meiner Familie gehören, obwohl wir nicht im Geringsten denselben Genpool teilen. Die aber in Treue und Liebe mein Leben mit mir teilen. Und auf ihre Weise echte Verwandte sind.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=19739
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