Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

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Guten Morgen!
„Seit ich fünfzig bin, fühle ich mich zunehmend entwertet“, erzählte mir eine Frau. „Ich muss mir Sätze anhören wie: Wird langsam Zeit, dass du den Jüngeren Platz machst! - und das ist kein gutes Gefühl. Eine Freundin hat sogar berufliche Nachteile in Kauf nehmen müssen, bloß weil sie gesagt hat, wie alt sie ist. Da wird man gezwungen das eigene Alter zu verbergen.“
Ich erlebe das auch so, dass es einem zunehmend schwerer gemacht wird, älter zu werden. Abends in der Fernsehwerbung geht es fast bei jedem zweiten Produkt um dieses Thema. Da werden Ängste geschürt und das Gefühl vermittelt: ich bin nichts mehr wert, wenn Falten sichtbar werden oder graue Haare.
Natürlich wissen wir, dass der Alterungsprozess nicht wirklich aufzuhalten ist. Und dass mit der Verjüngungsindustrie eine Menge Geld verdient wird.
Aber was machen wir mit der Entwertung, die wir zu spüren kriegen und die uns das Leben ganz schön vergällen kann?
Wenn ich ehrlich bin: ich will mich dem nicht beugen! Und ich will auch meine Kräfte nicht verschleißen, um gegen Entwertungen, die andere erfunden haben, anzukämpfen.
Auch habe ich überhaupt keine Lust mich treiben zu lassen von der Angst derer, die ewig jung bleiben müssen. Denn ich möchte nicht vor der Wirklichkeit fliehen, und die bedeutet nun mal grau werden und faltig und ein bisschen langsamer.
Nein, ich möchte mein Leben jeden Tag neu aus Gottes Hand nehmen. Denn der mag mich wie ich bin, mit meinen Fähigkeiten, mit meinen komischen Eigen-arten, mit meinen gewachsenen Qualitäten.
Er hat mir mein Leben geschenkt, und er hat ihm auch eine Grenze gesetzt, die es so wertvoll macht. Und zum Zeichen dafür - und damit ich das nicht vergesse – werde ich sichtbar älter. Jeden Tag sehe ich das im Spiegel.
Ich will nicht behaupten, dass ich mich darüber freue. Aber ich erfreue mich trotzdem an meinem Leben. Und an meinen Kräften, die aufbegehren gegen den Jugendwahn.
Wir sind nun mal sterblich - Gott allein ist ewig. Und er sagt zu den Jungen und zu den Alten, und zu denen dazwischen: „Du bist wertvoll in meinen Augen und ich habe dich lieb.“
Jes 43,4
https://www.kirche-im-swr.de/?m=1965
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