SWR4 Abendgedanken

SWR4 Abendgedanken

Im Anfang war ein Mord,
und der Mord geschah vor Gott
und Gott sah, dass der Mord
alles andere als gut war. 

In den Bildern der Bibel beginnt die Menschheitsgeschichte ziemlich kriminell. Kaum hat der Mensch den ersten Sündenfall hinter sich, kaum ist er aus dem Paradies vertrieben, geschieht schon das nächste Desaster. Kain erschlägt seinen Bruder Abel. Einfach so, aus Eifersucht, vorsätzlich und geplant. Von Beginn der Menschheit an ist das Böse gegenwärtig, die große Versuchung des Menschen seine Freiheit zu missbrauchen. Warum Gott diese Möglichkeit im Menschen überhaupt zulässt? Ich weiß es nicht, die Frage nehme ich mit für später, dann wenn alle Rätsel gelöst werden. Aber was ich weiß, dass wir in uns ebenso und noch viel stärker die Möglichkeit haben, dem Bösen entgegen zu treten, uns nicht von Wut, Hass und Aggression bestimmen zu lassen.

Auch nicht von der Urversuchung der Rache. So verständlich dieses Gefühl auch sein mag, wenn es ganz konkret wird. Ich weiß nicht, was ich tun würde, wenn einer aus meiner Familie einem Verbrechen zum Opfer fallen würde. Aber ich weiß, dass ich dann der Letzte sein darf, der zu richten und zu handeln hat. Deswegen bin ich dankbar, dass wir in einem Rechtsstaat leben  -in dem nüchtern und soweit es Menschen objektiv vermögen, Recht gesprochen wird. Unbeeinflusst von Meinungsumfragen, die sich je nach Situation ändern. Ich vertraue ganz auf die Anwendung gerechter Kriterien. Die wichtigste für mich ist die Reue und das Eingeständnis von Schuld. Und das nicht halbherzig und strategisch, sondern deutlich.

In der Kirche haben wir das Instrument der Beichte. Niemand erhält dort die Lossprechung wenn er sich nicht zu seiner Schuld bekennt, Reue zeigt und die Konsequenzen auf sich nimmt. Ein Mörder, der sich nicht stellt, wird auch im Beichtstuhl keine Vergebung erhalten. Aber wer sich zu seiner Schuld bekennt - und wenn sie noch so groß wäre – wird, daran glaube ich, von Gott Gnade erfahren. Unverdient, ohne Anspruch, geschenkt.

Das ist die ewige Perspektive, jenseits aller unserer Rechtsordnungen. Sie ist auch ein Trost für alle Nicht-Mörder, also für die meisten von uns. Denn wer kann von sich sagen, er sei ganz frei ohne Schuld? Wir in der Kirche nicht, mit unserer wechselhaften und mit Sünden gespickten Geschichte, von Kain angefangen bis heute. Ich für mich auch nicht. 

Im Anfang war ein Mord,
und der Mord geschah vor Gott
und Gott sah, dass der Mord
alles andere als gut war. 

Aber Gott war stärker als das Böse.
Und will das auch nicht allein sein.
Nach Gottes Ebenbild geschaffen zu sein,
enthält auch diesen Auftrag.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=19619
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