SWR2 Wort zum Tag

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Demonstrationen werden veranstaltet zur Rettung des Abendlandes vor Ausländern und Fremden. Auf eine Asylunterkunft wird ein Brandanschlag verübt. Ein höchst explosives Gemisch, das sich da zusammenbraut!
Vor diesem Hintergrund höre ich eine Geschichte aus dem Neuen Testament mit anderen Ohren. Von Jesus wird erzählt, der sich im Exil befindet. Aus Galiläa ist er ins benachbarte „Ausland“ geflohen. Dort spricht ihn eine Frau an und erbittet die Heilung ihrer Tochter. Jesus weist sie ab: es sei nicht recht, den Kindern das Brot wegzunehmen und es den Hunden hinzuwerfen. So viel Ausländerfeindlichkeit, selbst bei Jesus?
Wohl kaum! Jesu Aussage kann eigentlich keinen anderen Sinn haben als einen ironischen. Im Zusammenhang wird das sofort deutlich: Vor dieser Begebenheit hatte Jesus in Galiläa eine Auseinandersetzung mit religiösen Meinungsführern. Es ging um Reinheitsvorschriften, zum Beispiel darum, was man essen darf und was nicht. Jesus hält das für vordergründig. Seine Spitzenaussage lautet: „Nicht das, was zum Mund hineingeht, verunreinigt den Menschen, sondern das, was aus dem Mund heraus kommt.“
Reinheitsvorschriften und andere religiöse Bräuche dienten seit jeher, vor allem damals, der Abgrenzung. Sie sollen zeigen, wer zu Gott, zu seinem geheiligten Volk gehört und wer nicht. Im Sprachgebrauch Jesu: wer die Kinder und wer die Hunde sind.
Doch Jesus durchkreuzt diese Zuschreibungen und er durchkreuzt damit jede religiöse Heimatideologie. Sein entscheidendes Kriterium ist ein ethisches, kein zeremonielles. Ihn interessiert, wie Menschen miteinander umgehen, und nicht, welche Sitten und Gebräuche sie pflegen.
Deshalb denke ich, dass Jesus im Gespräch mit der fremden Frau das gängige Heilsschema mit Augenzwinkern zitiert. Man müsste es als rhetorische Frage übersetzen: „Wer wird schon die Hunde vor den Kindern bedienen?“ Und die fremde Frau hat Jesu Ironie sehr gut verstanden und kontert mit Witz: „Gewiss! Doch die Hunde leben von dem, was von der Herren Tische fällt.“ Sie führt den Herren den Reichtum ihrer Tische vor Augen. Kleinlich wäre da peinlich – das ist ihre Pointe und ihre Waffe gegen Kleinbürgertum, ethnische Beschränktheit und diffuse Zukunftsangst.
Vor Gott gibt es keinen Unterschied zwischen Kindern und Hunden, zwischen Angestammten und Fremden. Seine rettende Hand und Hilfe gilt jedem, der in Not ist.

 

https://www.kirche-im-swr.de/?m=19606
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