SWR3 Gedanken

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„Die Nacht hat sich ausgeweint und einem blauen Himmel Platz gemacht, das ist ein Tag, der nach Aufbruch riecht.“ Das ist einer meiner Lieblingstexte, weil ich ihn in einer ganz besonderen Situation meines Lebens von einem ganz besonderem Menschen geschenkt bekommen habe. Weil er – so kurz er auch ist – auf verschiedenen Ebenen gelesen werden kann. Zuallererst auf der wörtlichen. Wer kennt ihn nicht, den blauen Himmel nach einer durchregneten Nacht, blankgeputzt mit einem Blau, das einen geradezu in die Ferne zieht. Der blaue Himmel kann aber auch für ein neues Leben stehen, und zwar für den Moment, an dem die Lebenskraft, der Lebenswille wieder erwacht. Nach langer Zeit der Trauer, zahllosen Tränen und bleierner Schwere. Und plötzlich, unberechenbar und nicht zu erzwingen ist er da, der neue Tag, der wieder nach Leben schmeckt. Er kann kommen mit einem Blick, mit einem Augenblick. Er kann kommen mit einem Geruch, nach Gras, Wasser oder Feuer. Er kann kommen mit einer Erinnerung, einer Erinnerung an vergangene Stunden, die noch da sind, im Herzen sind. Und der neue Tag, der Tag, der nach Aufbruch riecht kann kommen, in einem Menschen, in einem Menschen, der ganz unverhofft in mein Leben tritt, der mich fordert, der mich rein fordert ins Leben oder ganz einfach braucht. Und schließlich ist der Text von Brigitte Hildebrand einer meiner Hoffnungstexte für das Leben nach diesem Leben. Wenn der letzte Kampf gekämpft ist, die schön-schweren Fesseln gelöst sind und die Seele sich auf die letzte Reise macht, dann möchte ich genau das sagen können: „Die Nacht hat sich ausgeweint und einem blauen Himmel Platz gemacht, das ist ein Tag, der nach Aufbruch riecht.“

https://www.kirche-im-swr.de/?m=19603
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