SWR4 Abendgedanken

SWR4 Abendgedanken

Sich bedienen lassen, das ist nicht immer leicht. Die kleine Paula zum Beispiel hat sehr skeptisch geschaut, als wir es im Gottesdienst ausprobiert haben. Die Pfarrerin hat Wasser in eine Schüssel gegossen und die Schüssel vor Paulas Mama auf den Fußboden gestellt. Paulas Mama hat ihre Schuhe und Strümpfe ausgezogen. Und dann hat die Pfarrerin Paulas Mama die Füße gewaschen. Mitten im Gottesdienst. Paula ist fünf. So etwas hatte sie noch nicht erlebt. Sie hat vor Staunen den Mund nicht zugekriegt. Dann hat Paulas Mama gefragt: Willst du auch deine Füße gewaschen bekommen? Aber Paula hat heftig den Kopf geschüttelt. Sich bedienen lassen, ist nicht leicht.
Wir haben mit dieser Aktion im Gottesdienst gezeigt, wie Jesus seinen Jüngern einmal die Füße gewaschen hat.
In der Zeit, als Jesus mit seinen Jüngern gelebt hat, gehörte dieser Brauch zu den Regeln der Gastfreundschaft.
Zur Säuberung, zur Kühlung und Erfrischung kamen die Diener und wuschen den Gästen zur Begrüßung die Füße. Diesen Dienst hat Jesus übernommen. Der Lehrer und Meister macht sich selbst zum Diener.
Die Jünger haben das damals auch zuerst nicht zulassen wollen. Und Petrus hat Jesus gefragt: „Herr, du willst mir die Füße waschen?“ (Joh 13,6b Basisbibel). Dass man ihnen die Füße wäscht, das kannten die Jünger, weil es damals Brauch war. Aber dass Jesus das für sie tut, ist ungewohnt gewesen. Ob sie es trotzdem genießen konnten?
An der kleinen Paula konnte ich lernen, dass es wirklich nicht einfach ist, sich bedienen zu lassen. Das kann manchmal genauso schwer sein wie das Dienen. Oder vielleicht noch schwerer? Ich muss es zulassen, dass ein anderer Mensch vor mir auf die Knie geht und mich bedient. Auch noch an den Füßen – das ist ganz und gar ungewohnt – auch wenn es nur gespielt ist.
Die kleine Paula hat verstanden, wie die Jünger sich da gefühlt haben. Und das habe ich von Paula gelernt: Dass Jesus von seinen Jüngern etwas verlangt hat, was nicht selbstverständlich war. Sich bedienen lassen, das ist nicht immer leicht. Aber wenn ich es zulassen und genießen kann, tut es gut.

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