SWR2 Wort zum Tag

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„Meine Mutter hat geweint, meine Schwester auch. Und der Pfarrer ist extra gekommen und hat mit mir gesprochen.“ Die ältere Dame berichtet von früher. Das Ereignis, das in ihrer Jugend so dramatische Reaktionen hervorgerufen hat, klingt heute ganz harmlos: Sie hatte einen jungen Mann aus dem katholischen Nachbardorf kennen und lieben gelernt. Die beiden wollten heiraten. Damals brach für ihre evangelische Familie eine Welt zusammen, der Pfarrer war alarmiert.

Viele solche oder ähnliche Geschichten habe ich in den letzten Jahren gehört. Vielleicht kennen auch Sie welche – oder haben sie sogar selbst erlebt. Mir ist dabei noch einmal klar geworden, wie tief die Gräben zwischen den Konfessionen noch bis vor wenigen Jahrzehnten waren. Und oft habe ich mich geschämt zu hören, wie sich Pfarrer beider Konfessionen damals verhalten haben: Bei der Taufe, die nicht in der einen, aber auch nicht in der anderen Kirche stattfinden durfte, weil die Eltern nicht derselben Konfession angehörten. Bei der Beerdigung, bei der einer der Enkel den Sarg vom Großvater nicht mittragen durfte, weil er evangelisch war.

Dabei hat Jesus doch genau das Gegenteil getan: Er hat Menschen zusammengebracht, die sich vorher nicht geheuer schienen. Wer mit Jesus an einem Tisch sitzen wollte, musste Grenzen überwinden und seine bisherigen Begriffe von „falsch“ und „richtig“ überdenken. Und der Apostel Paulus hat die „Konfessionen“ in der Gemeinde in Rom, also die einen Christen, die vorher schon Juden waren und die anderen Christen, die vorher andere Religionen hatten, daran eindringlich erinnert: Nehmt einander an, wie Christus euch angenommen hat! (Römer 15,7)

„Wir sind dann eigentlich gar nicht mehr in die Kirche gegangen, weder in die katholische noch in die evangelische“, haben mir einige Paare gesagt, die verletzende Erfahrungen mit ihren unterschiedlichen Konfessionen machen mussten. Ich kann das verstehen – und es macht mich traurig

Zwischen den beiden Kirchen sind die Gräben heute – zumindest in meinem Umfeld – weitgehend zugeschüttet. Gott sei Dank! Ob Weltgebetstag oder Schulgottesdienst, Kirchenchor, Seniorenkreis oder Kinderbibeltage, all das geht schon gemeinsam. Die ökumenische Zusammenarbeit lebt und ich freue mich darüber.

Es bleiben allerdings die Gräben zwischen der Kirche und den Menschen, die damals so enttäuscht worden sind. Ob man sie zuschütten kann, weiß ich nicht. Vielleicht ist es aber wichtig, immer mal wieder deutlich zu sagen: Was Ihnen damals angetan wurde, war falsch. Und auch wenn ich persönlich nichts dafür kann: Ich schäme mich dafür – und es tut mir leid.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=19472
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