SWR4 Abendgedanken RP

SWR4 Abendgedanken RP

Würden Sie gerne ab und zu in einer jungen Familie Kinder hüten
und dafür jemanden haben, der Ihnen Einkäufe abnimmt?
Im südwestpfälzischen Pirmasens
gibt es seit kurzem ein Wohnprojekt,
das jüngere und ältere Menschen wieder mehr zusammen bringen will:
„PS: Patio - Lebensraum für Generationen“,
so heißt es.

Gefördert wird das Modell im Rahmen des Bund-Länder-Projektes Soziale Stadt.
Auch die Diakonie macht mit.
Es könnte zukunftsweisend sein
für neue Formen des Zusammenlebens der Generationen.
Wie dieses generationenübergreifende Wohnprojekt aussieht,
das möchte ich Ihnen in der nächsten halben Stunde erzählen,
hier in unserem SWR 4 Blickpunkt Kirche

Teil I
Marlies und Heinz Schultz leben in einem Dorf bei Pirmasens.
Sie haben ein großes Anwesen zu bewirtschaften.
Noch schaffen sie es,
aber sie machen sich seit einiger Zeit Gedanken über ihre Wohnsituation.

Als wir vor 30 Jahren geheiratet haben, sind wir zu den Schwiegereltern ins Haus gezogen und haben diese dann auch später bis zum Tode versorgt. Bei uns wird das nicht der Fall sein, weil unsre Tochter in Mannheim wohnt und beruflich auch bei uns nicht tätig sein kann. Und dadurch sind wir allein und müssen auch gucken, dass für unsre Tochter die Belastung später nicht so groß wird, dass sie sich Sorgen machen muss, wie es uns im Alter geht

Marlies Schultz ist 55 Jahre, Hausfrau und nebenher noch berufstätig,
ihr Mann 64 und in Rente.

Durch meine schwere Erkrankung sind wir eigentlich auf diesen Gedanken gekommen, uns zu verändern..... man weiß ja nicht, wie das dann ja wieder wird .... ... bleibt alles am Partner dann hängen. ... .

Seine Frau sieht das genauso.

Durch die Erkrankung meines Mannes macht mich sich dann schon Gedanken, dass man dann später versorgt ist und auch jetzt noch selbst Entscheidungen treffen kann und nicht alles anderen überlassen muss und auch dann nehmen muss, was man vielleicht gar nicht will.... es ist schön, wenn man das jetzt noch selbst entscheiden kann und das dann vielleicht auch noch genießen kann. .

Über die Kirchengemeinde sind die Schultzens aufmerksam geworden
auf das Projekt „Wohnen für Generationen“ im Winzler Viertel in Pirmasens.
Und sie haben konkrete Erwartungen:

Also unsre Vorstellung ist so, dass es einfacher wird, ohne Treppe, für später und auch vielleicht eine Eigentumswohnung, aber auf jeden Fall auch mit Terrasse und dass man raus kann und auch ein bissel grün drum herum. Also nicht nur eingeschlossen in vier Wänden.

Auch vom Zusammenleben mit anderen verspricht sich Marlies Schulz einiges:
Wir denken, dass jüngere Leute dann auch für uns etwas machen, zum Beispiel einkaufen und schwere Getränkekästen oder so was mal besorgen, oder, wenn man krank ist, auch mal in die Apotheke geht, oder vielleicht auch mal nur reinguckt und fragen, wies geht und dass einem das dann vielleicht, auch hilft eine Krankheit besser zu bewältigen.

Pfarrer Norbert Becker,
der Vorstand des Diakoniezentrums Pirmasens und Mitinitiator
des generationenübergreifenden Wohnprojektes
ist davon überzeugt, dass es funktionieren wird,
was das Ehepaar Schulz sich vorstellt.

In früheren Zeiten hat man sich gegenseitig in der Familie geholfen. Die Großeltern haben auf die Kinder aufgepasst, und die waren im Gegenzug da, wenn die alt gewordenen Eltern dann Hilfe und Pflege brauchten. Für vieles, was früher innerhalb der Familie geregelt wurde, ist in der langen Epoche in unsrer Gesellschaft der Staat und seine Institutionen, die Kirchen und andere Verbände eingesprungen. Und wir haben inzwischen ein großes Geflecht von Beratungszentren und Institutionen, wo Menschen sich Hilfe abrufen können. In Zukunft wird es wieder wichtiger werden, weil wir weniger über verwandtschaftliche Beziehungen verfügen, dass es so etwas wie Wahlverwandtschaften gibt. Wo Menschen sich mit anderen Menschen anfreunden und sich gegenseitig beim Leben helfen.

Nicht nur Blutsverwandtschaften können tragen,
auch Wahlverwandtschaften tun das.
Daran glaubt Pfarrer Becker.
Und darum ist auch die Diakonie in dieses Wohnprojekt eingestiegen.
Dazu gleich mehr nach der Musik.

Teil II
Wohnen im Alter –
das kann mehr heißen als nur das „betreute Wohnen“ oder die herkömmlichen Pflegeheime.
Wohnen als Alleinerziehende
- das könnte auch entspannter sein, als es für viele ist.
Im Winzler Viertel in Pirmasens ist das Projekt „Wohnen für Generationen“ angelaufen.
Vom Baby bis zur Oma sollen zwar nicht alle unter einem Dach,
aber doch in einem gemeinsamen Gebäudekomplex leben
und dadurch voneinander profitieren..

Pfarrer Norbert Becker vom Diakoniezentrum Pirmasens:
Das Winzler Viertel in PS war ehedem ein intaktes Wohnviertel, in dem es angenehm zu leben war. Alles, was für die Infrastruktur notwenig war, Einkäufe, Arztbesuche, Kirchengemeinden, all dies war und ist auch vor Ort. Über das Projekt PS: Patio in Verbindung mit der „Sozialen Stadt“ wollen wir den Versuch unternehmen, dieses Viertel wieder zu seinem alten Leben zu erwecken, so dass es also auch in Zukunft wieder schön sein wird in diesem Viertel zu leben.

Die Einwohnerzahl von PS ist seit Jahren rückläufig:
die amerikanischen Streitkräfte, einmal ein wichtiger Arbeitgeber,
sind inzwischen abgezogen;
die Stadt ist auch nicht mehr die Schuhmetropole, die sie einst war.
Das hat dazu geführt,
dass sehr viele Menschen ihre Arbeit anderswo gesucht haben und weggezogen sind.

In PS hat man sich aber dieses Problem derart zu eigen gemacht, dass man es als eine Chance sieht - man spricht ja in PS auch von „Schrumpfen mit Qualität“ - und hat ein besonderes Augenmerk auf die Stadtentwicklung gelegt. Und dieses Projekt PS: Patio, an dem die Bauhilfe, die städtische Wohnungsbaugesellschaft in PS, und das Diakoniezentrum PS, beteiligt sind, geschieht ja in enger Zusammenarbeit und auch auf Anregung der Stadt PS, die sich sehr stark auf dem Gebiet der Stadtentwicklung engagiert.

Die städtische Bauhilfe verfügte über eine große Anzahl von Wohnungen,
die am Markt nicht mehr zu vermieten waren und abgerissen wurden;
zurück blieb eine große Freifläche mit altem Baumbestand.
Das Diakoniezentrum brachte seine Erfahrungen in der Alten- und Jugendhilfe ein.
Und so wurde dieses Wohnprojekt – Lebensraum für Generationen –
aus der Taufe gehoben.
Der Name Patio erinnert dabei an das Stadthaus in der Antike.
Pfarrer Becker, der Mitinitiator des Projektes:

Um einen Patio, um einen Innenhof herum, gruppierten sich verschiedene Räume. Und aus den unterschiedlichen Räumen ist man sich in diesem Patio, im Innenhof begegnet. Und so geht dieses Wohnprojekt für verschiedene Generationen davon aus, dass Menschen sich gegenseitig beim Leben helfen, unterstützen können. Und dass das Ganze nicht aus Zwang heraus geschieht, sondern mit einem hohen Maß an Freiwilligkeit.

Geplant sind etwa 70 Wohneinheiten.
Und zwar in Modulform,
das heißt:
die Wohnungen oder auch Einfamilienhäuser sind in Größe und Ausstattung variabel,
sie können gemietet oder gekauft werden, je nach Gusto und Geldbeutel.

Es geht darum, Dinge, die früher ganz üblich waren, dass man sich gegenseitig half über die Gartengrenze hinaus, ... dass man also ein kleines Schwätzchen hielt, dass man diese Dinge wieder neu ins Leben ruft.

Nicht nur alte Menschen,
auch junge Familien, Alleinerziehende oder Singles
benötigen ein intaktes Lebensumfeld, das trägt.
Und darum geht es beim Wohnen für Generationen:
um aktive, lebendige Nachbarschaftshilfe.
Um künftige Nachbarn jetzt schon miteinander in Verbindung zu bringen,
gibt es eine Anlaufstelle mitten im Viertel:
der Projektladen.
Hier schlägt das Herz des Projektes.
Darüber gleich mehr.

Teil III
„Gemeinsam planen, bauen, wohnen und leben!“
Das steht in großen Lettern auf sattgrünem Hintergrund
an der Hauswand über dem Schaufenster eines ehemaligen Küchenstudios.
Geht man hinein,
betritt man einen hellen freundlichen Raum mit Sitzgruppe, Schautafeln und einem Tresen:
der Laden zu dem Projekt „Wohnen für Generationen“.

Die Stadt PS hat im Rahmen des Bund-Land-Förderprogramms „Soziale Stadt“
mit dem Projektladen das erste Bürgerbüro in einem Stadtteil geschaffen.
In der Winzler Straße 107,
ganz nahe beim Diakoniezentrum,
sind die Quartiersmangerinnen Cornelia Schwarz und Heike Sprau
die ersten Ansprechpartner für die Bewohner des Viertels.
Hier können sich die Leute informieren,
hier soll eine Drehscheibe sein für Ideen,
hier trifft man sich.

Es kommen Menschen hierher, die zum Beispiel ne Wohnung suchen..... Es gibt Leute, die Arbeit suchen, die hierher kommen. Wir haben Menschen dabei, die sich ... für das Patio-Wohnprojekt interessieren. Dann gibt es Leute, die einfach nachfragen, wo sie helfen können, anderen Menschen helfen können, die selber Hilfe brauchen, ob man da was vermitteln kann.

Das Vermitteln steuern helfen soll eine Quartiersbörse.
Ein schwarzes Brett, wo die Leute aufschreiben können,
was sie suchen bzw. anzubieten haben.
Kürzlich hat der Projektladen zum ersten Stammtisch für Interessenten
an dem Wohnprojekt eingeladen.

Die Leute sollten sich kennen lernen, das werden wahrscheinlich zukünftige Nachbarn sein. Es war wichtig für uns, dass die Leute einfach mal schnuppern, reinschnuppern, mal gucken, wer kann mein nächster Nachbar sein. Es waren 80 Gäste geladen, 40 etwa sind gekommen davon. Es war ne sehr lustige Runde. Die Leute waren sehr interessiert.


Darum sollen künftig regelmäßig solche Interessenten-Stammtische stattfinden.
Damit die Wohnprojekt-Idee publik wird
und die Leute wissen, worauf sie sich einlassen.

Die Quartiersmanagerin Cornelia Schwarz:
Spezielle Fragen gab es zum Beispiel: Wie groß werden die Häuser sein? Was wird man bezahlen müssen? Dann: Gibt es Balkon, gibt es Gärten? ..... Werden wir dazu verpflichtet, gemeinschaftlich zu leben? Und da muss man natürlich ganz klar sagen: das werden sie nicht.

Denn es geht darum:
Frei leben können und auch die Tür hinter sich zuziehen können,
wenn man das möchte.
Und doch nicht isoliert sein und vereinsamen,
sondern aufeinander zugehen!
Im Winzler Viertel leben viele alteingesessene Pirmasenser,
und darum auch eben viele alte Menschen.
Manche kommen kaum noch aus ihren Wohnungen heraus.

Ein großes Problem ist die Möglichkeit einzukaufen für die alten Menschen. Es ist zwar in unmittelbarer Nähe, aber eher für uns junge Menschen, denen das gar nicht auffällt. Wir setzen uns ins Auto, fahren da hin, gehen einkaufen und denken, das ist nahe. Für die alten Menschen, die hier leben, ist es zu Fuß furchtbar weit. Es wäre schön, wenn wir zum Beispiel einen Bus-Shuttle-Service einrichten könnten, der zweimal in der Woche die alten Menschen zum Einkaufen fährt, dass es ihnen einfacher fällt

Der Projektladen hat inzwischen schon gute Kontakte zur Nachbarschaft geknüpft:
gegenüber ist eine Bäckerei
daneben eine Apotheke,
da gehen ständig viele Menschen ein und aus,
und manche sind neugierig und gucken einfach mal vorbei.
Und auf die, die sich nicht reintrauen, muss man halt zugehen:

Zum Beispiel haben wir hier ne Metzgerei, wo man Mittagessen kann. Da gibt’s hinten dran ne kleine Kneipe, wo die Leute aus dem Winzler Viertel sitzen, ihr Mittag essen. Und ich denke, wir werden es so machen, dass wir jetzt im Laufe der Zeit ab und zu auch unseren Mittag dort essen. Dass wir mal einfach hören, was ist los im Winzler Viertel, vielleicht mal Probleme raushören, wo kann man helfen, was kann man machen.

In unmittelbarer Nachbarschaft zum Projektladen liegt auch das Gelände,
wo die neuen Wohneinheiten für Generationen gebaut werden sollen.
Noch ist es eine schön begrünte Wiese.

Wir werden Spielnachmittage dort stattfinden lassen, wir werden vielleicht mal ein Picknick für Senioren dort machen, mit Kindern zusammen. Dass man einfach sieht: dieses Wohngelände ist schon ein Anfang .... wir verbinden Sachen, es soll nicht einfach ne tote brache Stelle sein,... sondern wir werden dort schon jetzt anfangen, bevor die Häuser stehen, um zu zeigen, da lebt was. .

Wenn die Häuser demnächst stehen und die ersten Bewohner einziehen,
wird sich bewahrheiten, was das Evangelium sagt:
„Einer trage des anderen Last, so werdet ihr das Gesetz Christi erfüllen“.
Geteilte Freude wird zur doppelten Freude,
wenn man aneinander interessiert ist.
Und an geteilten Lasten trägt man leichter,
wenn man bereit ist, verbindlich miteinander zu leben.
Christus hat es vorgelebt.
Und Menschen, die auf diese Weise das Leben miteinander teilen,
sind auf seinem Weg,
ob sie es wissen oder nicht. https://www.kirche-im-swr.de/?m=1944
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