SWR2 Wort zum Tag

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Die Bibel spricht öfter von den ‚Feinden Gottes‘. In Psalm 67 heißt es zum Beispiel: „Gott steht auf. Seine Feinde zerstieben und die ihn hassen, fliehen sein Angesicht. … Die Gerechten aber freuen sich, frohlocken vor Gott und jauchzen vor Freude.“

Wenn Gott der Schöpfer und Liebhaber des Lebens ist, dann sind seine Feinde all jene, die das Leben von Menschen unterdrücken, die anderen ihr Leben rauben durch Willkür und Gewalt. Wer das Leben missachtet, missachtet damit zugleich den, der das Leben will. Das sind – im Psalm - die Frevler, die Feinde Gottes.

Der Verfasser des Psalms hat die Vision eines Kampfes zwischen Gott und seinen Feinden, und er besingt den Sieg Gottes, der der Sieg des Lebens ist. So wird auch verständlich, dass er einige Zeilen später Gott nicht mehr als den siegenden Kriegsherrn vorstellt, sondern als „Vater der Waisen und Anwalt der Witwen, der den Einsamen ein Zuhause gibt, der die Gefangenen herausführt, der auch herausführen kann aus dem Tod.“

Den Psalm kann man also verstehen. Das ist die intellektuelle Ebene. Die Psalmen sind aber Gebete, die Juden und Christen heute noch beten. Und hier stellt die Rede von den Feinden Gottes ein ganz anderes Problem dar. Christen, die in einer vom Recht geschützten, friedlichen Situation leben, ohne besondere Nöte, und den Psalm beten, müssen sich damit schwer tun. Denn die Situation des Verfassers ist offensichtlich eine ganz andere, weil er um sein Leben, um seine Freiheit und seine Würde kämpfen muss. Wie auch heute ungezählte Menschen in anderen Teilen unserer Welt.

Wir können für sie beten, und wir tun es in den Gottesdiensten. Die Psalmen verlangen, dass wir auch mit ihnen beten; dass wir uns durch die gewaltigen Unterschiede in unseren Lebensumständen nicht davon abhalten lassen. Psalm 67 erinnert uns daran, dass wir zusammengehören, dass wir eine einzige Menschheit bilden, in der das Unglück und der Kampf der einen zugleich das Unglück und der Kampf der anderen sein muss. Das ist die Herausforderung der Psalmen, gerade wenn sie vom erhofften Sieg Gottes über seine Feinde sprechen. Wir beten die Psalmen mit denen, die so befremdlich sprechen, und das bedeutet, wir lassen uns im Gebet verändern durch Leid und Hoffnung anderer. So kann der Schrei unterdrückter und bedrohter Menschen in unseren eigenen Raum eindringen.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=19426
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