SWR4 Abendgedanken

SWR4 Abendgedanken

Sieben Wochen ohne. Das ist für viele Menschen das Motto in diesen Wochen. In den sieben Wochen von Aschermittwoch bis Ostern fasten sie. Das heißt: Sie verzichten zum Beispiel auf Alkohol, Süßigkeiten oder Fleisch. Das habe ich auch schon gemacht. Aber dieses Jahr habe ich mir was anderes vorgenommen. Ich faste Ärger.
Das ist nicht einfach. Denn es gibt so viele Momente, in denen ich mich ärgere: über mich, über andere, über die Unordnung in meinem Büro, den vollen Terminkalender, den langsamen Autofahrer vor mir.
Eines habe ich schon gemerkt: Wenn ich mich nicht mehr so viel ärgern möchte, muss ich vor allem bei mir etwas ändern. Der Terminkalender selbst kann nichts dafür, dass er so voll ist. Das liegt an mir. Also muss ich einfach auch mal nein sagen und einen weiteren Termin nicht annehmen. Und ab und zu eintragen: Mit dem Hund spazieren gehen. Das halte ich dann auch ein, wenn es im Kalender steht. Und so ärgere ich mich abends nicht mehr darüber, dass ich schon wieder keine Zeit hatte, um mit dem Hund zu gehen.
Ein anderes Beispiel: Ich versuche, einfach immer ein paar Minuten früher loszufahren, um mich unterwegs nicht über die anderen Autofahrer aufzuregen. Wie mir das gelingt? Da habe ich ein einfaches Rezept gefunden: Ich gucke kurz vor dem Losfahren nicht mehr nach meinen Emails. So komme ich gar nicht dazu, noch schnell mal eine Antwort zu schreiben.
Und mit der Unordnung im Büro finde ich mich ab. Beziehungsweise ich akzeptiere, dass ich es einfach nicht kann, alles gleich sorgsam abzuheften und wegzuräumen. Dafür gibt es viele Dinge, die ich lieber mache und auch besser kann.
Ich faste Ärger. Und ich beginne vieles neu zu sehen. Ich sehe mich neu. Und ich verändere bei mir die Dinge, die mich stören. Das wird noch lange dauern. Sieben Wochen ohne werden dafür nicht reichen. Aber eines habe ich schon gemerkt: Fasten ist nicht nur Verzicht, sondern auch ein Gewinn.

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