SWR4 Abendgedanken

SWR4 Abendgedanken

„Unser Kind soll nicht getauft werden, es soll die Gelegenheit bekommen, darüber später selbst zu entscheiden" - dieser Satz hat mich ziemlich überrascht. Mein Mann und ich waren gerade dabei mit einem netten jungen Paar eine alte Taufkapelle zu besichtigen.
Das erste Kind der beiden sollte erst in ein paar Monaten geboren werden. Doch der junge Mann schien sich in dieser Hinsicht schon sehr sicher zu sein.
Ich weiß, dass sie nicht kirchlich geheiratet haben, obwohl sie beide aus einem christlichen Elternhaus kommen. Sie werden ihre Gründe dafür haben und solange sich beide darüber einig sind, kann ich damit auch gut leben.
Allerdings bin ich das Gefühl nicht losgeworden, dass die junge Frau über die Taufe ihres Kindes anders denkt als ihr Mann. Ihre Augen haben in diesem Moment so traurig ausgesehen. Und später hat sie es mir dann auch gesagt, sie würde ihr Kind schon gern taufen lassen und damit nicht so lange warten wollen. Es wäre ihr einfach ein Bedürfnis, tief im Innern. Um für ihr Kind zu danken, es unter Gottes Schutz zu stellen und damit etwas von der großen Verantwortung abzugeben. Das würde sie erleichtern.
Zwar hätte auch sie Vorbehalte gegenüber der Kirche, wie ihr Mann, sie sei ihren Eltern aber nach wie vor sehr dankbar für ihre christliche Erziehung. Sie habe ihr Orientierung im Leben gegeben. Gern erinnert sie sich an schöne Erlebnisse, wie an ihre Erstkommunion und Firmung.
Dagegen hat ihr Mann wohl nicht so gute Erfahrungen gemacht. Und er hat auch Glaubenszweifel. Er meint, Kinder würden durch die Taufe gedrängt nur in eine Richtung zu denken. Aber das ist doch gar nicht so, finde ich! Mit 14 Jahren sind Kinder religionsmündig und können selbst entscheiden, ob sie einer Religion angehören wollen. Wie sollen sie sich für etwas entscheiden, das sie nie kennengelernt haben?
Eltern beeinflussen ihre Kinder immer: In der Erziehung, ob sie Musik machen oder Sport treiben, auf welche Schule sie gehen, bei der Vermittlung von Werten. Warum soll da nur der religiöse Bereich ausgespart werden - mit dem künstlichen Argument, dass sie das und eben nur das, später selber entscheiden sollen?

Vielleicht überlegt es sich der junge Mann ja noch mal - und wenn es seiner Frau zu Liebe ist. Denn ich meine, sie ist unglücklich. Sie möchte dass ihr Kind die Chance hat, eine Verbindung zum Glauben aufzubauen, ganz gleich wie es sich später entscheidet, welche Erfahrungen es macht.
Und außerdem ist es schön, denkwürdige Augenblicke, wie den Beginn einer neuen Lebensgeschichte, dankbar zu feiern. Dazu gehören Rituale, wie die Taufe. Weil sie helfen, große Momente im Leben bewusst wahrzunehmen und in Erinnerung zu behalten.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=19363
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