SWR4 Abendgedanken

SWR4 Abendgedanken

„Wie schön es sein wird, wenn ich in ein paar Jahren nicht mehr ins Büro muss, wenn dann endlich Zeit bleibt für das, was ich mir schon so lange vorgenommen habe, mich besonders interessiert, Freude macht. Dann wird alles nachgeholt, was ich bisher leider versäumt habe. Die paar Jahre bis zur Rente noch überstehen, dann geht das neue Leben los!“
Ich mag es nicht, wenn jemand, der mir am Herzen liegt, so redet. Woher will ich wissen ob mir diese Zeit noch bleibt? Natürlich hoffe ich, dass es mir und auch den Menschen, mit denen ich dann viel unternehmen will, noch so gut geht wie im Moment. Aber die Gewissheit habe ich doch nicht.
Das wird einem manchmal sehr schmerzlich bewusst. Meinem Mann ist das so ergangen, als ein langjähriger Kollege schwer erkrankt ist und ihm nicht mehr viel Zeit zum Leben geblieben ist. Sein Tod hat meinen Mann sehr getroffen. Der Kollege war jünger.

Wie viel Lebenszeit uns bestimmt ist, liegt nicht in unserer Hand. Wer sich dessen bewusst ist, fügt bei Zukunftsplänen hin und wieder ein „So Gott will“ an, beinahe wie eine Formel, „So Gott will sehen wir uns im nächsten Jahr wieder“.

Jacobus, ein gottesfürchtiger Mann hat diesen Spruch im Jahr 62 aufgeschrieben, er ist nachzulesen im Neuen Testament. Jacobus ging es darum, den Menschen Respekt vor Gott, dem Schöpfer von Zeit und Ewigkeit, zu vermitteln. Er warnt vor zuviel Selbstsicherheit wenn er schreibt: „…nun zu euch, die ihr sagt, heute und morgen werden wir in diese oder jene Stadt reisen, dort ein Jahr bleiben und Gewinne machen – ihr wisst doch nicht, was morgen mit euerm Leben sein wird… Ihr solltet lieber sagen, wenn der Herr will, werden wir noch leben und dies und jenes tun… “
Ich denke, Jacobus hat es gut gemeint mit den Menschen. Er wollte ihnen damit sagen, „Macht nicht zu viele Pläne für die Zukunft, sondern konzentriert euch erstmal auf das Jetzt“.
Das kann für mich heißen, schau mal was ich schon jetzt in meinem Leben ändern kann, damit ich nicht das Gefühl habe so viel zu versäumen. Möglicherweise kann ich beruflich schon jetzt etwas kürzer treten, muss nicht immer vorn dabei sein. Damit mir mehr Zeit bleibt für die Menschen, die mir wichtig sind. Was kann ich lassen, weil es inzwischen nicht mehr so von Bedeutung für mich ist? Wo kann ich schon heute Verantwortung an Jüngere abgeben?
Und warum kann ich nicht schon jetzt damit beginnen, Wünsche und Träume, die mittlerweile Jahrzehnte in mir schlummern, wahrzumachen: Klavierspielen lernen, am Wochenende wandern gehen, dann merke ich vielleicht, das tut gerade jetzt sehr gut. Und die große Reise, von der ich schon so viele Jahre träume, nicht auf später verschieben!
Wenn ich mich auf das Leben hier und heute konzentriere und erlebe, welche Möglichkeiten ich habe, neben dem Berufsleben, dann kann ich ruhiger und gelassener dem entgegensehen, was mir das Leben später noch so bringen mag!

https://www.kirche-im-swr.de/?m=19362
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