Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

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Seit drei Monaten gilt in Deutschland ein gesetzlicher Mindestlohn. Obwohl es sich nur um einen bescheidenen Stundenlohn von 8,50 € handelt, gibt es Schwierigkeiten: Einige Unternehmen halten den Lohn für zu hoch, um am Markt damit bestehen zu können. Andere beklagen den hohen bürokratischen Aufwand, mit dem der Mindestlohn vor Missbrauch geschützt werden soll. Dabei handelt es sich hier nur um die allerunterste Grenzen dessen, was für menschliche Arbeit auf jeden Fall gezahlt werden soll. Wie groß wären die Schwierigkeiten, wenn es nicht um den Mindestlohn, sondern um einen gerechten Lohn ginge. Die Probleme fingen schon mit der Frage an, was denn ein gerechter Lohn leisten soll: Reicht es, wenn der Arbeitnehmer alleine davon auskömmlich leben kann? Oder soll er auch eine Familie ernähren und eine Alterssicherung aufbauen können?

Die Bibel hat eine ganz eigene Auffassung von einem angemessenen Lohn. Jesus erzählt von einem Winzer, der Tagelöhner für seinen Weinberg auf dem Markt anwirbt. Er vereinbart mit ihnen den üblichen angemessenen Tageslohn, einen Denar. Im Laufe des Tages merkt er,  dass er zu wenige Arbeiter hat. Und so wirbt er zeitversetzt immer neue Tagelöhner an, die letzten eine Stunde vor Arbeitsende. Allen verspricht er einen gerechten Lohn. Als es ans Bezahlen geht, bekommt jeder einen Denar. Das empört die Arbeiter der ersten Stunde, die den ganzen Tag geschuftet haben. Aber der Weinbergsbesitzer bleibt bei seiner Vereinbarung, alle bekommen den gleichen Lohn.

Bei seiner Lohnfestsetzung fragt der Winzer nicht nur, was die Arbeit wert ist. Sondern er fragt auch danach, was ein Mensch zum Leben braucht. Auch wenn er nur eine Stunde gearbeitet hat.
In der biblischen Geschichte kann sich der Arbeitgeber seine Großzügigkeit leisten, denn es ist in Wirklichkeit Gott, der hier aus unerschöpflicher Gnade gibt. In der realen Wirtschaft wäre das schwieriger, da gibt es nur begrenzte Mittel. Und doch unterstreicht die Geschichte ein wichtiges Element eines gerechten Lohnes: Es geht nicht nur darum, was Arbeit eben gerade wirtschaftlich wert ist, sondern auch darum, was Menschen brauchen. Die Antwort liegt sicher zwischen den Extremen, aber vielleicht näher am biblischen Tageslohn als am gesetzlichen Mindestlohn.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=19359
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