SWR2 Wort zum Tag

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Am 31. Januar ist Altbundespräsident Richard von Weizsäcker gestorben. Mit seinem Namen verbindet sich die Rede, die er am 8. Mai 1985 gehalten hat, am 40. Jahrestag des Endes der Schreckensherrschaft der Nationalsozialisten und des Zweiten Weltkriegs. „Der Wahrheit so gut wir es können ins Auge zu sehen, ohne Beschönigung und ohne Einseitigkeit“ – diesen Appell hat uns von Weizsäcker hinterlassen.

Richard von Weizsäcker erinnerte in dieser Rede in bewegender Weise an die vielen Millionen Opfer, die diese Diktatur und dieser Krieg gefordert haben, im eigenen Land und in den Ländern, die von Deutschland aus mit Gewalt und Leid überhäuft worden waren. Er stellt auch unmissverständlich klar, wo Ursachen und Urheber dieses unermesslichen Leids zu suchen waren: „Wir dürfen den 8. Mai 1945 nicht vom 30. Januar 1933 trennen“, also vom Tag der Machtergreifung Adolf Hitlers.

Das Vergangene anzunehmen, das war und ist nicht selbstverständlich und auch nicht leicht. Das Großartige an von Weizsäckers Rede war der Horizont der Hoffnung, vor dem er dazu aufrief, sich ehrlich zu erinnern: „Die Erinnerung ist die Erfahrung vom Wirken Gottes in der Geschichte“, sagt er mit Bezug auf den Glauben des Volkes Israel, der Juden. Diese Erinnerung, so fährt er fort, „ist die Quelle des Glaubens an die Erlösung. Diese Erfahrung schafft Hoffnung.“

Vor diesem Hintergrund konnte der Bundespräsident sagen, der Tag des Kriegsendes sei ein Tag der Befreiung gewesen. Er habe den Keim der Hoffnung auf eine bessere Zukunft in sich getragen.

Damit würdigt er auch die Persönlichkeiten des Widerstands gegen Hitler, deren Ermordung sich in diesen Monaten zum 70. Mal jährt. Der Jesuitenpater Alfred Delp hat diese Hoffnung so ausgedrückt: „Es sollen andere einmal besser und glücklicher leben dürfen, weil wir gestorben sind.“ Es gab auch in den dunkelsten Zeiten der Barbarei Menschen, die sich durch Verfolgung und Tod nicht davon abbringen ließen, für die Humanität einzutreten.

Sich der Erinnerung ehrlich stellen, Wege der Hoffnung ebnen, um Humanität ringen: dieser Appell Richard von Weizsäckers gilt noch immer. Ich greife dazu nur einen einzigen Gedanken aus seiner Rede auf. Von Weizsäcker spricht von der Kraft, „die Lasten anderer zu erkennen, an ihnen dauerhaft mitzutragen, sie nicht zu vergessen“. Er meinte damit das Schicksal der Flüchtlinge und Vertriebenen der Nachkriegszeit und die Solidarität mit ihnen. Dieser Hinweis ist heute wieder so aktuell wie lange nicht mehr.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=19286
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