SWR2 Wort zum Tag

SWR2 Wort zum Tag

Manchmal komme ich mir vor wie Don Camillo. Denn Krankenhausseelsorge ist ein mühseliges Geschäft. Wenn der Pfarrer am Bett auftaucht, denken viele Patienten: Hat mein letztes Stündlein denn schon geschlagen? Geht es mir so schlecht? Einen Pfarrer hier bei mir am Krankenbett? Nein danke – das hat Zeit, Das ist doch noch viel zu früh! Da schau ich lieber weiter fern.
Wenn ich das spüre, komme ich mit vor wie Don Camillo, der eigenwillige italienische Priester aus den Geschichten von Don Camillo und Peppone. Genauer: wie Don Camillo bei seiner Ankunft in Puntarossa. Das war nämlich so:  Nach einer heftigen Prügelei – auch davor schreckt er nicht zurück – wird Don Camillo strafversetzt. Der Bischof führt ein ernstes Gespräch mit ihm: „Don Camillo“, sagt er, „du brauchst zwei ruhige Monate in einer schönen Gebirgsgegend. Der Pfarrer von Puntarossa ist gerade verschieden, und so machst du mit einer Reise gleich zwei Dienste.“ Don Camillo tut, was ihm gesagt wird und besteigt die Eisenbahn. Der Zug läuft mit viel Dampf und lautem Bremsenquietschen im Bahnhof von Punatarossa ein. Don Camillo schaut aus dem Fenster. Zu seiner Überraschung sieht er, dass dort eine Menge Leute versammelt sind, die begeistert Fähnchen schwingen und ganz offensichtlich auf jemanden warten. Don Camillo macht erst ein begeistertes, dann ein etwas verlegenes Gesicht. Das ist doch nicht nötig! So ein großes Empfangskomitee! Angetan von dem Gedanken, dass hier in der Einöde, ein Pfarrer wie er einfach willkommen ist, ein Mensch ist, auf den man sich freut und dem man mit Respekt begegnet, nimmt seinen Hut, eilt zur Zugtür, um sich der Menge in die Arme zu werfen. Aber kaum hat er die Tür aufgemacht, sieht er: Die Menschen laufen vorbei an ihm! Es zieht sie zu einem ganz anderen Waggon! Er steigt aus, niemand beachtet ihn und er sieht: Alle waren gekommen um einen beliebten Fußballstar zu begrüßen, der in demselben Zug reiste. Einen Pfarrer? Nö, den braucht hier eigentlich niemand.
Unsere Konkurrenten sind manchmal ganz ähnlich wie bei Don Camillo: Fußballstars – allerdings nicht live, sondern im Fernsehen. Aber auch Kochsendungen und „Gute Zeiten, Schlechte Zeiten“.  So sind die Menschen, auch die Kranken. Aber andere bekommen wir nicht mehr rein. Da hilft nur, was Don Camillo auch durchmachen musste. Erkennen wer er nicht ist. Eben kein Fußballstar, niemand, dem man nachläuft. Erkennen wer man nicht ist und tun, wozu man da ist.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=19267
weiterlesen...