Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

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„Waren Sie mit unserem Service zufrieden? Bitte nehmen Sie sich kurz Zeit und bewerten Ihren Berater. Kaum habe ich das Telefonat mit einem Service-Berater beendet, erreicht mich diese Bitte per email. Ich soll also sofort meine Bewertung abgeben: ob mir geholfen wurde, wie freundlich der Berater war usw. Schnell habe ich mich durchgeklickt. Schließlich sitze ich ja noch am PC und -vielleicht hilft es. Aber tut es das wirklich?
Manchmal bin ich mir da unsicher. Schließlich weiß ich nicht, was mit meinen Bewertungen im Nachhinein passiert. Und ich frage mich, ob damit wirklich nur der Service verbessert werden soll oder vielleicht doch ein Berater ruckzuck Konsequenzen zu fürchten hat, weil er nicht so funktioniert wie gewünscht.
Nun kann man sagen, mit Bewertungen muss man irgendwie umgehen lernen – auf allen Seiten. Als der, der Bewertungen abgibt oder hört und als der, der bewertet wird. Immerhin ist der scheinbar moderne Bewertungshype von heute gar nicht so neu. Denn eigentlich haben sich die Menschen schon immer gegenseitig bewertet. Empfehlungen zum Beispiel für die besonders nette Ärztin oder den guten Bäcker im Ort - oder eben auch das Gegenteil - gab es doch schon immer.
Und trotzdem gibt es Grenzen.
Jesus hat das ziemlich deutlich gemacht. Er selbst hat zwar ständig Bewertungen abgegeben und auch gefordert. Er wollte, dass man sich Gedanken macht, eigenes und fremdes Verhalten einschätzt, weil man sich dadurch weiterentwickeln kann.
Aber eines wollte er nicht: dass man seine Bewertung und Sicht der Dinge für absolut hält und mit dem Urteil Gottes gleichsetzt. Das funktioniert nicht, meint er, denn kein Mensch kann dem anderen in den Kopf und ins Herz schauen.
Jesus sagt deshalb: „Richtet nicht“ (Mt 6,7) und gibt damit allen eine Abfuhr, die eigene oder fremde Urteile überbewerten. Stattdessen ermutigt er, trotz aller Bewertungen offen zu bleiben für neue und andere Eindrücke oder auch positive Überraschungen.
Ich finde, das ist ein guter Tipp im Blick auf den allgegenwärtigen Bewertungshype.
Mir hilft es, wenn ich mir immer wieder klar mache: ins Herz schauen kann mir eigentlich nur einer, nämlich Gott. Und das heißt, menschliche Bewertungen haben ihre Grenzen. Darüber hinaus ist noch viel mehr möglich. Bei mir und bei Ihnen auch.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=19263
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