Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

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„Ich kann nicht mehr!“ Eine Patientin sagt das zu mir und man sieht es ihr an. Sie hat kaum noch Kraft. „Ich kann nicht mehr – aber niemand glaubt mir das! Mein Mann, meine Freunde, alle sagen: Du musst nach vorne schauen, Du musst positiv denken. Muss, muss, muss - ich kann das nicht mehr hören.“ Sie schließt die Augen und schweigt.
Die Kraft des positiven Denkens – oft ist das wichtig. Sei tapfer, sei stark – so kann man manche Schwierigkeit überwinden. Oft bekommen Kinder das schon beigebracht – „Reiß dich zusammen“! Besser nicht zu viel Schwäche zeigen - was denken sonst die Anderen?
Aber es geht auch anders: „Herr, sei mir gnädig, denn ich bin schwach“, heißt es in einem Psalm. Da gibt jemand offen zu: Gott, ich bin schwach, ich kann nicht mehr. Das kommt vielen nicht leicht über die Lippen. Denn worauf es vielen ankommt, was unser Alltag von uns fordert, das ist ja genau das Gegenteil: Erfolgreich sein, gesund und stark, und oft klappt das ja auch. Aber nicht immer. Schon bei Kindern liegen Lachen und Weinen nah zusammen. Mir hat es als Kind geholfen, wenn meine Eltern mich einfach in den Arm genommen und getröstet haben. Und eben nicht gesagt haben: „Stell dich nicht so an.“
Wenn jemand akzeptiert, dass ich nicht immer stark bin, fühle ich mich ganz anders gestärkt-
So gut es sein mag, oft auch positiv zu denken – mir ist etwas anderes noch wichtiger geworden, nämlich Gottvertrauen zu haben. Wenn ich das tue - auf Gott vertraue und sage: "Du musst es nicht alleine schaffen", dann nimmt mir das den Druck. Dann spüre ich nach und nach, wie etwas von außen kommt, wie Gott mir neue Kraft schenkt, oder so etwas wie innere Ruhe.
Die Patientin sagte mir noch: „Ein paar Menschen gibt es. Die bleiben einfach bei mir, wenn ich nicht mehr kann. Wie anders sich das anfühlt! Nicht, dass ich dadurch gesund werde. Aber ich kann mich mal fallen lassen. Und sagen: Jetzt musst Du machen, Gott – ich kann nicht mehr. Ich darf schwach sein. Und das tut gut.“

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