Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

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Kann man das - aus der Vergangenheit lernen? Ein älterer Mann hat mal zu mir gesagt: "Wir sind doch auch einmal Flüchtlinge gewesen. Wie können wir Leute auf der Flucht denn heute abweisen? Wenn die Hilfe brauchen, können wir doch nur helfen!“
Und dann erzählte er mir von seiner eigenen Flucht von Stettin in den Westen. Ein langer Weg, bei dem er viel Schlimmes erlebt hat. Es war sehr gefährlich. Und dann spricht er von einer Bäuerin. „Die werde ich nie vergessen. Sie hat uns freundlich eine Mahlzeit serviert, hat uns ausruhen lassen, und uns das Gefühl gegeben, - wir sind nicht nur Flüchtlinge, wir sind vor allem eines: Menschen! Das war wie eine Offenbarung, in der ganzen schlimmen Flucht! Und das sollen die Flüchtlinge heute doch auch spüren!"
Dieser Mann hat mir gezeigt, wie es gehen kann: Aus der Vergangenheit lernen.
Von der Vergangenheit hören wir oft in diesen Tagen. Heute vor 70 Jahren wurde die Stadt Pforzheim total zerstört. Nach Dresden und Hamburg war das die heftigste Bombardierung in Deutschland, und an vielen Orten gab es so viel Zerstörung. Auch hier in Mainz denken wir am Freitag an die schreckliche Bombardierung von 70 Jahren. So viele wurden damals obdachlos oder sind umgekommen.
Heute passiert Ähnliches. Kriege, Vertreibung. Wann lernen wir endlich, Frieden zu halten?
Ich weiß es nicht. Aber ich bin sicher: Wir alle können aus der Vergangenheit lernen. Statt auf Demonstrationen Vorurteile zu festigen und statt neue Gewalt entstehen zu lassen – stattdessen haben Menschen, die aus der Vergangenheit lernen, vor allem eines im Sinn: Den Frieden stärken. Das heißt, Menschen als Menschen zu behandeln. Ihre Geschichte anhören und Hände reichen. Dazu gibt es viele Möglichkeiten: Kirchengemeinden bieten Begegnungstreffen an, Sozialstiftungen vermitteln Patenschaften, in Schulen werden Hausaufgabenhilfen gesucht und vieles mehr.
Die Bäuerin, von der der Mann mir erzählte – sie hat ja nichts Großes gemacht. Sie war einfach nur menschlich. Und dadurch kommt die Botschaft an: Ihr seid nicht nur Flüchtlinge, ihr seid vor allem Menschen. Menschen wie Du und ich. Und für jeden von uns gibt es Heimat - unter Gottes großem Himmel.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=19246
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