SWR4 Abendgedanken

SWR4 Abendgedanken

Ich mache jetzt Yoga. Manche schauen dann etwas skeptisch, wenn ich das erzähle. Und fragen erstaunt: Yoga? Hast du deine Religion gewechselt?

Ich sage dann gerne: Ich bete nun - mit meinem Körper. Und das ist mehr als nur körperliche Gymnastik. Yoga ist für mich ganzheitliches Beten mit Leib und Seele. Und ich gebe zu: Das tut meinem Körper und meiner Seele gut.

Zum Beispiel, wenn ich das Vater-unser- Gebet Zeile für Zeile als Yogaübung mache. Dann ist das für mich eine neue Weise zu beten. Und das geht zum Beispiel so: Beim „Vater unser im Himmel“ - strecke ich mich weit nach oben, meine Hände sind leicht gefaltet, aber geöffnet und zeigen in den Himmel.

Ich finde es schön, mich ganz in Richtung Himmel zu strecken. Beim Ein- und Ausatmen spüre ich, wie weit der Himmel sein kann. Wenn der Atem dann  durch meinen Körper fließt, spüre ich auch die Weite meines Körpers. Beim „Geheiligt werde dein Name“ gehe ich kopfüber nach unten, die Hände lasse ich locker fallen. Wenn es geht, berühre ich mit den Händen sogar den Boden oder meine Zehenspitzen.

Ich finde es entspannend, meinen Körper so vornüber sinken zu lassen und mich ganz fallen zu lassen. Auch innerlich entspannt mich das sehr. Ich werde ruhiger, mein Atem wird langsamer. Die Last des Tages werfe ich so hinter mich und lege sie Gott in die Hand.

Ich gebe zu, diese körperlichen Übungen hören sich leichter an, als sie sind. Aber ich übe jeden Tag abends und jedes Mal geht es ein wenig leichter.

Ich strecke mich, ich dehne mich und spüre das Gebet in jeder Faser meines Körpers. Auch wenn es manchmal anstrengend ist, tut es mir gut. Ich fühle mich nach den Übungen erfrischt an Leib und Seele.

Ich spüre, dass mein Körper mich zum Beten einlädt. Wenn ich mich körperlich verhärte und verkrampfe, werde ich steif nicht nur im Nacken oder am Rücken, ich werde auch eng in meinen Gedanken. Ich verschließe mich, ich mache zu. Wenn ich mich lockere, werde ich lebendiger und beweglicher. Ich werde weiter und offen. Das tut mir gut und ich spüre, das tut auch meinem Glauben gut. Ich sehe manchmal tiefer und meine Hoffnung wird weiter. Und was ich noch schön an den Yogaübungen finde: Ich übe neue Gebetshaltungen ein. Und diese Haltungen zeigen mir auch neue Haltungen in meinem Denken und Glauben auf. Ich spüre intensiver, dass ich mich fallen lassen kann, dass ich vertrauen kann und dass ich mich ganz öffnen kann.

Passen Yoga und christlicher Glaube zusammen? Ja, für mich, sehr gut sogar. Yoga hilft mir, meinen Glauben neu zu entdecken.

 

https://www.kirche-im-swr.de/?m=19190
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