SWR4 Abendgedanken

SWR4 Abendgedanken

Jetzt ist es fertig: Und es hängt bei mir im Büro an der Wand. Mein neues selbstgemaltes Bild. Es ist gelb, rot und weiß.

Davor war das Bild mal ganz weiß und danach war es dann zitronengelb.

Ja, meine Bilder verändern sich, werden übermalt und schauen dann wieder ganz anders aus. Die Bilder leben mit mir mit, würde ich sagen. An dem Bild in meinem Büro male ich schon fast 2 Jahre. Deshalb ist es mir besonders ans Herz gewachsen. Meine Kolleginnen schmunzeln immer schon, wenn sie mich mit dem Bild aus dem Büro und ein paar Tage später damit wieder rein laufen sehen: „Na, bist du noch immer nicht zufrieden mit deinem Bild?“ Ja, sie haben Recht.

Ich war nicht zufrieden. Und wollte immer wieder etwas daran verändern.

Ich spüre dann so eine Unruhe in mir, schaue das Bild und denke mir, da fehlt doch noch etwas. Eine andere Farbe, eine neue Nuance. Ein wenig mehr Kontur. Ein bisschen mehr Pepp. Ich weiß, dieses und auch meine anderen Bilder haben mit meinem Leben zu tun. Sie erzählen meine Geschichte. Und daher braucht so ein Bild, bis es fertig ist auch seine Zeit. Farbschicht für Farbschicht pinsle ich aufeinander. Aber: Nichts wird ganz übermalt, das alte Bild scheint immer ein wenig durch das neue hindurch. Ich will die alten Farben nicht ganz übermalen. Sie sollen auch dazu gehören. Ja, sie bauen aufeinander auf. 

Für mich ist Malen fast wie ein Gebet. Ein Schöpfungsprozess. Ich bin dabei ganz still und höre auf mein Inneres. Ich würde sogar sagen, ich male nicht, es malt ein bisschen aus mir heraus. Ich bin dann ganz tief verbunden mit meinen Gefühlen. Und ja, vielleicht ist das Malen fast schon so was wie ein Gebet für mich. Manchmal ein Danke sagen und manchmal eine Bitte. Ich drücke auf diese Weise auch Stimmungen aus, decke ein Stück meines Lebens auf und bringe es auf die Leinwand. 

Ach ja, das Bild, das jetzt in meinem Büro hängt, es ist jetzt endlich fertig. So wie es ist, gefällt es mir. Für mich sieht es aus wie ein bunter Wald. Andere haben gesagt, es scheint wie eine sprudelnde Quelle zu sein. Jemand hat sogar gemeint, es sieht aus wie der Himmel in gelb, rot und weiß. Egal, wie es aussieht. Ich finde es schön. Jetzt will ich es nicht mehr übermalen. Zumindest nicht in nächster Zeit. 

 

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