SWR2 Wort zum Tag

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„Versäume nicht dein Leben!“ So heißt der Titel des neuen Buches von Pater Anselm Grün. Der bekannte Benediktiner-Mönch und Buchautor ist vor kurzem 70 Jahre alt geworden. Ich hatte einmal die Gelegenheit, ein Interview mit ihm zu führen. Dabei habe ich ihn gefragt, ob er auch schon mal in seinem Leben das Gefühl hatte, etwas versäumt zu haben. Eine Segeltour rund um die Welt, vielleicht? „Nein“, hat er geantwortet, das Kloster hält ihn lebendig, weil er gerne dort lebt und sich wohl fühlt in der Gemeinschaft. Der Ablauf von Gebet und Arbeit tut ihm gut.  

Was hält mich lebendig, habe ich überlegt? Wie oft habe ich das Gefühl, mein Leben nicht bewusst genug zu leben und viel zu viel zu versäumen.

„Das Leben ist begrenzt“, sagt Pater Anselm. „Ich kann nicht alles erreichen und tun, was andere von mir wollen oder was ich will. Und es werden im Leben nie alle Bedürfnisse erfüllt.“

Aber, Pater Anselm meint auch, das was mir fehlt, kann für mich zum Segen werden, weil daraus etwas Neues wächst. Mir fällt da das Beispiel mit den Türen ein. Manchmal habe ich das Gefühl, eine Tür geht zu. Wenn eine Türe zugeht, dann frage ich nach dem Sinn. Wozu ist das jetzt gut? Ich überlege: „Wie kann ich durch diese Türe hindurch, was muss ich ändern? Oder will ich das überhaupt?“ Das sind dann meine sogenannten  „Tür-Erfahrungen“. Und die sind für mich wichtig. Auch wenn es manchmal weh tut, wenn eine Tür zugeht. Ich bin für jede dieser Türen dankbar. Sie zeigen mir die Richtung an, weil ich durch sie weiß, wo ich nicht hingehen kann. Und wo eine andere Tür offen steht. „Wenn immer alles glatt geht, dann bleibe ich innerlich stehen“, sagt Pater Anselm Grün.

Es ist viel wichtiger im Leben, sich zu entscheiden und nicht stehen zu bleiben, denke ich. Jammern bringt mich da auch nicht weiter. Wenn ich mich für etwas entscheide, dann entscheide ich mich auch gegen etwas.

Leben heißt sich wandeln. Ununterbrochen. Krisen und Brüche helfen mir, immer mehr der Mensch zu werden, der ich heute bin, sagt Pater Anselm.

Und er sagt auch: „Manche versäumen ihr Leben, weil sie sich ständig absichern wollen. Sie lassen sich nicht ein aufs Leben.“ Und Leben heißt für ihn sich hingeben, sich fallen lassen. „Leben geht nur, wenn ich hineinspringe ins Leben – egal, was kommt. Wenn ich Ja sage. Bedingungslos und jetzt in diesem Moment. Das ist ein bisschen wie beim Spielen. Ich gebe meinen Einsatz und weiß nicht, was dabei herauskommt. Nur immer zuschauen wollen, das ist nicht leben“, sagt Pater Anselm Grün.

Ich denke mir, ja ich bin bereit dazu. Ich will mein Leben dankbar annehmen. So wie es jetzt heute ist. Es ist ein Geschenk für mich, mein Leben. Und ich will jeden Tag bewusst sagen: Ja, ich wage es.   

 

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