SWR3 Gedanken

SWR3 Gedanken

Das Kinderbett auf dem Speicher. Aus massivem Holz mit liebevoll gefertigter Bettwäsche steht es sorgfältig eingepackt seit Jahrzehnten da und wartet auf ein Kind. Das Bett gehört Hildegard. Sie ist über achtzig, hat zwei Kinder großgezogen, Enkelkinder sind keine mehr in Sicht. Immer einmal wieder hat Hildegard darüber nachgedacht, das Bett wegzugeben. Aber ihr war nicht wohl dabei. Das Bett soll jemand bekommen, bei dem es in guten Händen ist.
Hildegard geht gerne unter Menschen und sie ist tief verwurzelt in ihrer Kirchengemeinde. Deshalb geht sie zu einem Frühstückstreffen, bei dem auch Flüchtlingsfrauen sind. Dort trifft sie Samira. Sie kommt aus Syrien. Weite Wege hat sie hinter sich gebracht, bevor sie in Kaiserslautern gelandet ist. Samira ist im siebten Monat schwanger. Und wie alle werdenden Mütter wünscht sie sich nichts mehr als einen Ort, wo ihr Kind Heimat und eine gute Zukunft findet.
Hildegard und Samira. Zwei Frauen, die unterschiedlicher nicht sein können. Die eine liebt Dampfnudeln, die andere kann das Wort noch nicht einmal aussprechen. Aber das ungeborene Kind schlägt eine Brücke. Und das Kinderbett auf Hildegards Speicher. Das beim Frühstückstreffen den Besitzer wechselt.
Für Samira ist dieses Bett ein Zeichen dafür, dass sie und ihr Kind in diesem Land willkommen sind und eine Zukunft haben können. Und Hildegard gefällt der Gedanke, dass ihr Bett in guten Händen ist. So etwas nennt man eine Win-Win-Situation.
Andere würden es eine gelungene Integrationsmaßnahme nennen. Aber mal ehrlich: Bei den beiden Frauen geht es doch eigentlich gar nicht um Integration. Es geht darum, dass ein Kind ein Bett braucht. Und dass zwei Frauen sich sympathisch sind. Und wo das geschieht, geschieht Integration automatisch. Weil sie von Herzen kommt. Mann, was für eine Win-Win-Situation.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=19158
weiterlesen...