SWR4 Abendgedanken

SWR4 Abendgedanken

„Ich bin klein, nur 1,62 m, und sehe nicht gut aus. Ich hatte noch nie eine Freundin. Die Mädchen lachen oft über mich. Das quält mich wahnsinnig! Ich möchte oft weinen“ – hat der junge Mann gesagt, der mich im Pfarrhaus aufgesucht hatte.  
Wie diesem jungen Mann geht es vielen Menschen: Es fehlt ihnen an Selbstvertrauen. Sie finden nichts Gutes an sich und fühlen sich minderwertig. Sie tun sich schwer, sich selbst anzunehmen. Ständig vergleichen sie sich mit anderen und rutschen immer tiefer in Selbstzweifel hinein.  
Was kann man da tun? Ich glaube, dass Gott in seiner schöpferischen Liebe und Phantasie niemanden unter uns ohne Begabung gelassen hat. Es kommt nur darauf an, die auch zu entdecken.   
„Überlegen Sie einmal“, habe ich zu dem jungen Mann gesagt, „was Sie gut können, worin Sie stark sind, wo andere zu Ihnen sagen: Du bist aber geschickt! Es gibt bei Ihnen doch bestimmt ein paar Eigenschaften, die positiv sind und die Ihnen helfen können, anders über sich selbst zu denken.“
Der jungen Mann hat eine Weile überlegt und fing an einige aufzuzählen. „Ich bin hilfsbereit“, hat er gesagt, „ich freue mich, wenn mich andere um etwas bitten. Neulich hat mein Nachbar gefragt, ob ich ihm bei einer Reparatur an seinem Haus helfen könnte. Da habe ich mich gefreut und das gern gemacht.“ Und während der junge Mann erzählt hat, wurde er irgendwie fröhlicher.   
Am Ende unseres Gespräches habe ich dem jungen Mann eine Geschichte aus der Bibel erzählt. Sie handelt von einem kleinen Mann Zachäus. Der wollte unbedingt Jesus sehen. Aber die Leute ließen ihn nicht durch. So stieg er auf einem Baum. Was haben die anderen ihn ausgelacht und sich lustig gemacht über ihn! Und dann wurde gerade er von Jesus angesprochen. Gerade zu dem kleinen Mann auf dem Baum hat Jesus gesagt: „Bei dir möchte ich heute gern zu Gast sein.“
„Vielleicht kann diese Geschichte Sie ermutigen „Ja!“ zu sich selbst zu sagen und „Nein!“ zu Ihren Selbstzweifeln“, habe ich zu dem jungen Mann gesagt. „Ich bin sicher, das wird die Begegnungen mit Mädchen entkrampfen und selbstverständlicher werden lassen.“
Dass ihm das gelingt, wünsche ich ihm und allen anderen, die es schwer mit sich haben.

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