SWR2 Wort zum Tag

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Wie weit darf Kritik an der Religion gehen? Die Frage wird wieder heftig diskutiert. Jetzt, wenige Tage nach dem brutalen Mordanschlag in Paris. Denn der angebliche Auslöser dafür waren religionskritische Bilder. Karikaturen, die den Glauben auf die Schippe nehmen, vor allem den Islam und Mohammed.

Ganz klar ist für mich: Gewalt ist kein Weg des Glaubens. Gewalt missbraucht den Glauben vielmehr. Sei es den jüdischen, den christlichen oder den muslimischen Glauben. Weil Gewalt die Botschaft des einen Gottes, der diese drei Religionen verbindet, lächerlich macht. Wenn Gott, so glauben es alle drei Religionen, den Menschen schafft und ihnen seinen Geist einhaucht, dann darf kein Mensch getötet werden. Aus keinem Grund. Weil jeder Mensch diesen Geist Gottes in sich trägt.

Trotzdem bleibt die Frage, wie weit die Kritik an der Religion oder der Spott über Religion gehen darf. Meine Position: Gläubige persönlich beleidigen, das geht gar nicht. So wie grundsätzlich in unserer Demokratie niemand dulden muss, dass er persönlich beleidigt oder verspottet wird. Aber der Glaube, Personen, Orte oder Inhalte des Glaubens – die alle müssen Spott ertragen können. Ich finde, es ist eine wichtige Errungenschaft unserer Gesellschaft, dass wir über alles sprechen können, dass wir alles kritisieren und auch verspotten können. Dass es keine Sprachtabus gibt.

Stellen wir uns doch umgekehrt einfach mal vor, dass es solche Tabus gibt. Was passiert? Es dürfen keine Witze über Gott, den Papst, einen Rabbi oder Mohammed gemacht werden. Das könnte ja beleidigen. Aber damit ist nicht Schluss. Denn es darf auch keine Witze über Fußballspieler geben – weil das die glühenden Vereinsanhänger beleidigen könnte. Über schlechte Autos oder gierige Banken darf auch nicht gespottet werden, weil sich sonst die Firmenangehörigen gekränkt fühlen. Die Beispiele lassen sich fortsetzen. Ist das übertrieben? Vielleicht. Aber die Beispiele machen auch ein Problem deutlich: Wie wollen wir überhaupt Grenzen finden für das, was verspottet, kritisiert, hinterfragt werden darf? Zumal Kritik und Spott ja eine wichtige Funktion haben: Sie machen auf Probleme aufmerksam, oft auch auf Missstände. Auf das, was schlecht läuft in Gesellschaft und Religion. Ich zumindest will darauf nicht verzichten. Und nehme deshalb auch den Spott in Kauf. Nehme in Kauf, dass es keine Grenze bei der allgemeinen Religionskritik geben kann.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=19125
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