Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

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"Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst.“ Hat Jesus gesagt. Und prompt wird er gefragt: „Aber wer ist mein Nächster?“
Und da erzählt er die Geschichte von einem, der überfallen wird. Und übel zugerichtet. Und es kommen nacheinander zwei Gottesmänner vorbei, streng gläubige Leute. Aber die haben ihre religiösen Verpflichtungen und grad keine Zeit. Dann kommt ein Ausländer. Er sieht den Verletzten, versorgt seine Wunden, hebt ihn auf sein Pferd und kümmert sich um ihn.
„Wer war dem Überfallenen der Nächste?“ fragt Jesus.
Klare Sache: Der, der sich um ihn gekümmert hat.
Das Interessante an der Geschichte ist:
Der Nächste ist nicht immer der, mit dem man am meisten rechnet. Es ist auch nicht immer der, der einem nahe steht. Ausgerechnet die beiden Gläubigen lassen den Verletzten liegen. - So darauf fixiert, Gott zu dienen, dass sie das Wesentliche ganz aus den Augen verlieren: dass Gott uns nämlich im Mitmenschen begegnet. Auch in dem Zusammengeschlagen da unten, am Boden.
Denn: Wer mein Nächster ist, das kann ich mir nicht aussuchen. Das sind nicht unbedingt meine Freunde, oder Familienangehörigen. Das können auch wild-fremde Leute sein, mit denen ich sonst nichts zu tun habe.
Der Ausländer, der sich um den Verletzten kümmert, hatte keine Ahnung, was ihn hinter der nächsten Straßenbiegung erwartet. Aber da lag der Verletzte nun mal. Und er hat getan, was nötig ist.
„Du sollst deinen Nächsten lieben“, sagt Jesus. Aber wer ist mein Nächster?
Also, wenn ich in so eine ähnlich Situation käme, wie in der Geschichte, so ganz allein, da hätte ich ganz schöne Angst. Angst, dass die, die das getan haben, vielleicht auch mir auflauern, irgendwo in der Nähe.
Aber selbst, wenn ich selber nicht helfen kann – ich habe ein Handy und kann Hilfe holen.
Nächstenliebe hat viele Gesichter. Und manchmal kommt sie auch ganz banal daher. Vielleicht ist mein Nächster nur die Person, die nach mir die öffentliche Toilette benutzt. Oder die Putzfrau, die hinterher alles sauber macht.
Ja, und genau da fängt sie schon an, die Nächstenliebe. 

 

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