SWR2 Wort zum Tag

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Er hat gerne gelebt. Aber er wusste auch, so schrieb er einmal, dass dieses Leben nicht zum Festhalten gemacht ist. Heute vor 200 Jahren, am 21. Januar 1815, ist Matthias Claudius in Hamburg im Alter von 75 Jahren im Kreis seiner großen Familie gestorben.
Matthias Claudius hat ein Leben lang über den Tod nachgedacht. Sein Gedicht „Der Tod und das Mädchen“ hat Franz Schubert zur Vorlage eines Kunstliedes genommen und später ein Streichquartett dazu komponiert. Darin begegnet der Tod einer jungen Frau, die abwehrend ihre Hände gegen ihn erhebt.
Der Tod aber nähert sich ihr wie ein Geliebter: „Gib deine Hand, du schön und zart Gebild! Bin Freund, und komme nicht, zu strafen: Sei gutes Muts! ich bin nicht wild, sollst sanft in meinen Armen schlafen.“
Claudius hat den Tod erlebt, als sein geliebter Bruder starb. Und drei seiner Kinder in jungen Jahren. Als seine geliebte Mutter stirbt, notiert er: „Wir sind nicht groß, und unser Glück ist, dass wir an etwas Größeres und Besseres glauben können.“
Dass er sich so mit der Vergänglichkeit beschäftigte, geschah nicht aus Lebensmüdigkeit. Er wollte die Dinge sehen, wie sie sind. Und hat sich bemüht, keine Realität zu verdrängen.
„Der Tod ist `n eigener Mann“, schreibt er einmal, „er streift den Dingen dieser Welt ihre Regenbogenhaut ab und schließt das Herz zur Nüchternheit auf... Und es ist ein großer Gewinn, alles, was man tut, wie vor seinem Katheder und unter seinen Augen zu tun.“
Bei Claudius kommt beides zusammen: Lebenslust und Freude am Dasein. Aber auch ein biblisches Bewusstsein von der Hinfälligkeit alles Irdischen. Er hat „eine Haltung entwickelt,“,  so sein Biograph Hans Jürgen Schultz, „ die sowohl aus Widerstand wie aus Ergebung, aus Trotz wie aus Trost bestand“.
Matthias Claudius wusste: Der Mensch ist hier nicht zu Hause. Das Leben als Ganzes ist uns verborgen –  wie der Mond, dessen runde Fülle sich hinter Wolken versteckt: „Er ist nur halb zu sehen und ist doch rund und schön. So sind wohl manche Sachen, die wir getrost belachen, weil unsere Augen sie nicht sehen.“
Wie man als Christ Realismus und Lebensfreude miteinander verbindet, das kann man von Matthias Claudius lernen. Und manche seiner Worte klingen in mir nach, wie dieses: „Wir sind nicht umsonst in diese Welt gesetzt, wir sollen hier reif für eine andere werden.“

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