SWR4 Abendgedanken

SWR4 Abendgedanken

Das Bild hat damals einen Skandal ausgelöst.
Eigentlich hatte der Maler Caravaggio einfach ein hübsches Weihnachtsbild malen sollen. Damals, im 17. Jahrhundert. Maria und Klein-Jesus, dazu ein paar Hirten – das kann für einen Künstler ja nicht so schwer sein. Dass bei Caravaggio dann keine Hirten aus alter Zeit vor Jesus gekniet haben, sondern zwei Pilger aus seiner Gegenwart, nun gut. So was war üblich, damals. Der Skandal waren die Füße. Die Füße der Pilger sind so was von dreckig. Und so auffällig! Wenn ich das Bild anschaue, sehe ich als erstes die schmutzigen Füße. Weil die Pilger knien, schaue ich direkt auf ihre Fußsohlen. An denen kann man gar nicht vorbeischauen.
Die beiden Pilger, ein Mann und eine Frau, knien vor Jesus und haben die Hände gefaltet. Vermutlich bitten sie ihn um etwas. Die Pilgerstäbe in ihrer Hand deuten daraufhin, dass sie schon einen langen Weg hinter sich haben. Sie haben sicher schon viel erlebt und einiges durchgemacht. Darum die dreckigen Füße. So ist das, wenn man in der Welt unterwegs ist.
Aber die Leute damals fanden das skandalös. Sie haben gesagt: „Das geht gar nicht! Das passt nicht zu einer Audienz bei Jesus. Es passt nicht dazu, dass die beten. Dafür muss man sich doch fein machen. Das ist doch eine Zumutung für Jesus!“
Der Maler aber hat darauf bestanden. Sie haben schmutzige Füße. Er hat sich durchgesetzt.
Das Bild hängt heute in einer Kirche in Rom. Ich finde es eine grandiose Einladung: So wie du bist, kannst du bei Gott auftauchen und beten. Mit dem Dreck deines Lebensweges an den Füßen, mit Alltagsstaub auf der Seele, einfach mit allem, was dir noch anhängt. Bring dein ganzes Leben mit. Auch was dich geärgert hat. Und was dir leid tut. Und was du zum Heulen findest.
Die schmutzigen Füße erinnern mich: ich brauche Gott nicht fernhalten von meinem Leben und mich nicht verstecken. Er weiß ja, wie es zugeht. Ich bin ziemlich sicher: Jesus hatte oft schmutzige Füße…

https://www.kirche-im-swr.de/?m=19043
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