SWR4 Abendgedanken

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Früher habe ich gehofft, es gibt sie wirklich: Die Medizin gegen alle Sorgen. In Zeitschriften finde ich immer wieder Anzeigen, die dafür werben. Zum Beispiel: Forscher entdecken ein seltenes Inka-Kraut oder eine vitaminreiche Tiefsee-Alge. Für einen stolzen Preis kann ich davon einige Tabletten kaufen. Das neue Wundermittel soll helfen gegen Müdigkeit, Halsweh und vieles mehr. Das wäre schön: Jeden Tag gut gelaunt und putzmunter aufstehen. Mit voller Kraft durch den Tag.

Leider sieht mein Alltag anders aus. An einem Tag schmerzt das Knie, am nächsten Tag kratzt der Hals. Gefühlt habe ich in diesem Winter bereits 400 Taschentücher verbraucht. Ist das noch normal?

Der amerikanische Wissenschaftler Aaron Antonovsky würde antworten: „Ja, das ist normal.“ Wir wünschen uns zwar, ganz gesund zu sein. Doch meist sind wir von beidem etwas: gesund und krank. Mal sind wir ein bisschen mehr krank, mal ein bisschen mehr gesund. Antonovsky sagt: Reden wir nicht nur über Krankheiten. Fragen wir auch danach, was Menschen gesund macht.

Dieser Gedanke klingt einfach, hat aber einen schwierigen Namen: „Salutogenese“. Die Lehre vom „Gesund werden“. Antonovsky beschreibt es so: Jeder Mensch befindet sich ständig in einem Fluss. In diesem Fluss reißt mich mal die eine Strömungen mit, mal die andere. Es gibt Strudel und viele Gefahren, aber dieser Fluss ist das Leben. Ich kann nicht ans sichere Ufer. Ich kann nur versuchen, ein guter Schwimmer zu werden.

Um ein guter Schwimmer zu werden, muss ich mich fragen: Was hilft mir dabei, gesund zu werden und gesund zu bleiben? Vielleicht fühle ich mich viel gesünder, wenn ich oft in der Natur bin und über Stock und Stein wandere. Oder wenn  ich in die Sauna gehe. Heißen Tee trinke und ein gutes Buch lese. Anstatt von Viren, Krankheiten und Medizin zu reden, sollte ich darauf schauen, was mich stärkt und belebt.

Kleine und große Krankheiten gehören zum Leben dazu. Antonovsky empfiehlt nicht, einfach die Hände in den Schoss zu legen. Er lenkt den Blick auf unsere Kraftquellen.

Natürlich braucht es Ärzte und gute Medizin. Aber es tut auch gut, auf sich selbst zu achten. Was stärkt mich? Was gibt mir Kraft? Um immer wieder gesund zu werden – und zu bleiben.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=19031
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