Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

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Der Berg ruft, das Abenteuer lockt!
Auch bei der Tour de France haben sich die Radfahrer wieder den Mont ventoux,
den „windigen Berg“, hinaufgequält.
Ob der eine oder andere zuvor wieder etwas „eingeworfen“ hat?
Damit es flutscht, damit die Leistung stimmt, damit ein Sieg möglich wird?
Erwischt wurden ja wahrlich genug.
Wenn alles Konkurrenz ist und nur der Sieg zählt,
geraten die Maßstäbe von richtig und falsch schon einmal in den Hintergrund.
Und was alle machen, kann doch nicht falsch sein.
Schließlich entscheidet sich ja gerade auf den schweren Bergetappen,
wer Gesamtsieger wird und im gelben Trikot durch Paris radeln darf.
Der Erstbesteiger des Mont Ventoux – viele Jahrhunderte vor den Radfahrern unserer Tage –
war ein Italiener. Ein Dichter, mit Namen Petrarca.
Er suchte einen möglichst flachen, gleichmäßigen Fußweg zum Aufstieg, aber den gab es nicht.
Also quälte auch er sich den Berg hinauf.
Aber damit enden auch schon die Gemeinsamkeiten mit der Tour de France.
Denn oben angekommen, ist Petrarca überwältigt:
Von der Schönheit der Natur, von der weiten Aussicht nach Frankreich und Italien,
von der Größe der Schöpfung Gottes im Vergleich zu ihm selbst, dem winzig kleinen Menschen.
Mit anderen Worten: auf dem Berg begegnet ihm die Demut und er lernt Dankbarkeit.
Ja, er nimmt sich sogar noch die Zeit, in einem mitgebrachten Buch zu lesen.
Damals wurde der Berg zum Helfer Gottes:
Nimm dich nicht so wichtig! Freu dich über alles, was dir geschenkt wird!
Das war die Botschaft des Berges. Petraca hat sie gehört.
Die Einstellung zum Berg hat sich gründlich geändert.
Bei der Tour de France werden die Berge in Schweregrade eingeteilt.
Je steiler und je höher, desto schwerer.
Wer bei der Bergwertung der Beste ist, der wird siegen.
Und so wird der Berg vom Helfer Gottes zum Vorwand für’s Doping:
Was ich bin und kann, ist nicht genug!
Was Gott mir mitgegeben hat, ist nicht genug!
Von Demut und Dankbarkeit keine Spur, ganz das Gegenteil.
Wenn der Berg ruft, wenn ein Abenteuer lockt, dann prüf dich: wobei soll mir das helfen?
Geht es darum, dass ich noch schneller, stärker, besser werde?
Oder sollen mir Demut und Dankbarkeit begegnen?
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