Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

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„Ein bisschen abschmelzen wäre nicht schlecht!“
Mein Arzt guckt mich an. Dann greift er in seine Tasche und holt ein Theraband heraus. So etwas haben Sie vielleicht auch schon mal gesehen. Ein elastisches Gymnastikband, mit dem man Übungen machen kann. Für die Muskulatur oder die Beweglichkeit.
„Sie haben es nötig“, sagt er zu mir. Ich lasse seine Diagnose wie ein reuiger Sünder über mich ergehen.
„Sie können diese Übungen überall machen! Wissen Sie, wo ich die am liebsten mache?“
Es ist keine echte Frage, also antworte ich nicht.
„Im Supermarkt“, redet er weiter, „wenn ich an der Kasse warten muss.“
Aha. Im Supermarkt. An der Kasse.
Mal ehrlich: Wenn ich das bei uns im Supermarkt mache, dann kommt doch erst der Arzt. Und der weist mich dann ein.
„Nutzen Sie die Zeit an der Kasse!“, erklärt mir mein Arzt! „Holen Sie ein Gymnastikband raus und machen Sie ein paar Übungen!“
„Meine Zeit steht in deinen Händen.“ Sagt in der Bibel einer zu Gott. Na dann. Natürlich kann ich die geschenkte Zeit auch nutzen. Aber von Sport an der Kasse steht in der Bibel nichts.
Und ehrlich gesagt: Ich kann solche Ratschläge nicht mehr hören. Nutzen Sie die Zeit! Optimieren Sie Ihren Alltag. Organisieren Sie sich besser!
Ja, darf ich vielleicht die Zeit auch mal nicht nutzen? Einfach mal sinnlos verschleudern? Nichts tun? Meine Gedanken treiben lassen? Ohne Ziel, ohne Zweck? Wäre doch interessant, mal zu sehen, was dann passiert. 
„Meine Zeit steht in deinen Händen.“ Meine Zeit ist mir von Gott geschenkt. Daran will ich mich erinnern. Und mich drauf verlassen. Gott weiß, wie viel Zeit er mir gibt. Und wenn meine Zeit ein Geschenk ist, dann darf ich sie doch auch mal verträumen oder an andere verschenken.
Von mir aus kann jeder im Supermarkt an der Kasse abschmelzen und für seine Gesundheit trainieren. Aber unsere Zeit steht trotzdem in Gottes Händen. Gott sei Dank!

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