Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

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„Die Ewigkeit ist eine lange Zeit!“
Meine Tante macht eine kleine Pause. Alle warten gespannt, welche Weisheit sie noch verkündigen wird.
„Also trinken wir besser jetzt noch einen, wer weiß, wann wir das nächste Mal einen kriegen!“ Alle lachen und heben ihre Gläser.
Bei jedem Familientreffen kommt so ein Spruch. Ich liebe diese Weisheiten meiner Familie. Sie sind immer so praktisch. Und meistens  knapp daneben. Und das merkt immer jemand aus der Familie und kontert. Selbst im angeheiterten Zustand einer fröhlichen Weinrunde.
„Du“, sagt mein Opa zu meiner Tante, „die Ewigkeit ist gar keine Zeit. Die Ewigkeit ist ein Zustand.“
Aber das ist dann immer die berühmte Bemerkung zu viel. So genau will das jetzt keiner wissen. Jetzt, wo alles so gemütlich ist. Im Wein liegt Wahrheit, aber zu viel Wahrheit muss auch nicht sein.
Mein Opa aber will das jetzt klären. Er guckt meine Mutter an.
„Ewigkeit“, sagt er, „hat gar keine Zeit mehr. Das ist nicht nur einfach eine unendlich lange Zeit. Stell dir mal vor: Eine Ewigkeit! Selbst bei Gott kommt mir das unheimlich langweilig vor. Also“, sagt er, „was heißt das denn: Leben nach dem Tod?“
Natürlich erwartet er keine Antwort.
„Ewigkeit heißt: wir leben in einem Zustand wie jetzt.“
Meine Mutter platzt entsetzt heraus: „Die Ewigkeit ist eine Familienfeier?“
„Ein bisschen schon. Ich meine damit die Freude, die wir jetzt miteinander empfinden. Da ist keine Sorge. Kein Schmerz. Wir sitzen zusammen und sind fröhlich. Jetzt, genau dieser Moment. Der Moment, in dem wir lachen. Das Gefühl, wenn es warm ums Herz wird. Wenn wir losgelöst sind von allen Beschwerden. Dieser Moment. Das ist die Ewigkeit, die uns erwartet. Daran glauben wir Christen.“
Meine Mutter ist beruhigt. Und ich denke: Schön, dass wir jetzt schon ein bisschen Ewigkeit spüren können. In jedem Augenblick des Glücks. Vielleicht sogar bei einer Familienfeier.

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