SWR2 Wort zum Tag

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Ja, es ist so: Religiöser Fanatismus oder Fundamentalismus bringt mich auf die Palme. Gleich welcher Couleur! Es hat nichts mit dem zu tun, was ich unter Glauben verstehe. Als Christ möchte ich da von Jesus lernen – zum Beispiel aus jener knappen Geschichte, die im Lukasevangelium erzählt wird:
Jesus war unterwegs nach Jerusalem mit seinen Jüngern – Menschen, die seiner Lebensschule angehörten. Um von Galiläa nach Jerusalem zu kommen, gab es damals zwei Möglichkeiten: Entweder nahm man den direkten Weg durch Samaria. Für manche Galiläer und Jerusalemer war das schon Ausland. Da wohnten Leute, die anderer Herkunft waren, einen anderen Lebensstil hatten, ja auch einen anderen Glauben – meinte man zumindest in Galiläa. Also zogen viele die andere Alternative vor: das bedeutete, man geht außen um Samaria herum. Ein Umweg zwar. Dafür blieb es einem erspart, mit den Leuten aus Samaria zusammentreffen zu müssen.
Jesus wollte den direkten Weg nehmen, seine Jünger plädierten für den Umweg. Und sie fühlten sich gründlich bestätigt und im Recht. Als sie nämlich – Jesu Willen entsprechend – durch Samaria zogen und dort in einem kleinen Ort eine Unterkunft für die Nacht suchten, wurden sie abgewiesen. Und nun ging es den ganzen weiteren Weg in einem fort: „Haben wir es nicht gleich gesagt? Es taugt nichts, durch Samaria zu gehen. Das sind Idioten hier. Jesus, du vertrittst doch eine göttliche Mission. Also lass dich nicht so barsch abweisen. Sag nur ein kleines Wort, und wir werden diesen Ort in Brand legen. Feuer vom Himmel. Die sollen uns nicht vergessen. Eine Lektion wollen wir ihnen erteilen.“
Doch Jesus schüttelte nur den Kopf: „Das könnte euch so passen. Himmlische Mächte für die eigenen Frustrationen und Rachegelüste einspannen. Wie wenig habt ihr bisher von mir gelernt! Ihr denkt immer noch in euren alten Schemata von Feindbildern und Rache, von Ehrverletzung und Vergeltung. Wisst ihr denn nicht, welches Geistes Kind ihr seid?“
Es ist diese Erinnerung an den Geist Jesu, die mir hier wichtig ist. An den Geist der Liebe und des Verständnisses für andere. Ich habe sie nötig, wenn sich Enttäuschungen breit machen, wenn Wut und Ärger in mir hochkochen.
Die Jünger gingen nach Jesu Zurechtweisung wortlos weiter und sollen dann übrigens in einem Nachbardorf untergekommen sein.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=18995
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