SWR2 Wort zum Tag

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Immer wieder werden religiöse Vorstellungen instrumentalisiert, um Menschen Angst zu machen und sie zu unterdrücken. Auch das Christentum hat seine Gewaltgeschichte. Für mich als Christ sind solche Verzerrungen von Religion ein Grund, danach zu fragen, was Religion und Glaube „eigentlich“ ist. Und als Christ frage ich dabei nach dem Ursprung und den Quellen des Glaubens bei Jesus.
Im Lukasevangelium lese ich zum Beispiel von einer Begegnung, die Jesus mit einigen Pharisäern hatte. Die Gruppe der Pharisäer ist ein häufig erwähnter Gegner und Streitpartner Jesu. Fromme Leute! Vielleicht auf eine Weise auch etwas unerbittlich und rigoros.
Auf die Frage der Pharisäer, wann das Reich Gottes kommt, antwortet Jesus mit einem Satz, den ich für einen „Haupt-Satz“ des christlichen Glaubens halte. Die Frage nach dem Reich Gottes, der Herrschaft Gottes, war – zumal in Zeiten römischer Besatzung in Palästina – eine eminent politische. Es gab Widerstandsgruppen, die zum Teil unter Anwendung von Gewalt und Terror ein messianisches Reich errichten wollten. Jesus korrigiert diese Erwartungen mit dem schlichten Satz: „Das Reich Gottes ist inwendig in euch.“
Über das entscheidende Wort in diesem Satz – „inwendig“ – ist viel debattiert worden. Bedeutet es so viel wie: „in euren Herzen“? Oder meint es eher „mitten unter euch“? Ich verstehe die unscheinbare Präposition so, dass Jesus sagen will: Beim Reich Gottes kommt es nicht auf die äußeren Grenzen an. Es wird nicht an äußeren Markierungen abgesteckt wie ein Territorium. Es wird auch nicht durch äußerliche politische oder gar militärische Maßnahmen verwirklicht, sondern es wächst aus einem inneren Zentrum heraus – wie ein Keimling. Dieser Keim kann im Herzen eines Menschen heranreifen wie eine Einsicht. Er kann auch aus einer Tat der Nächstenliebe hervorwachsen.
Wie dem auch sei – die Antwort Jesu verweist mich auf etwas, das nicht mit Feuer und Schwert durchgesetzt wird. Das wäre auch widersinnig, denn Gottes Reich ist die Macht seiner Liebe. Deshalb kann es nur aus sich selbst heraus wachsen und Wirkung zeigen.
Dann käme es also darauf an zu fragen: Wo verwandelt mich der Glaube in meinem Inneren? Wie verändert er meine Sichtweise auf das Leben, auf meine Mitmenschen, auf die Natur? Und was kann ich dazu beitragen, dass er im Zusammenleben der Menschen Gestalt gewinnt?

https://www.kirche-im-swr.de/?m=18993
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